Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 11. Februar 2024

Alte Games: EF2000

Diese Geschichte beginnt mit einem Knall. Eigentlich knallte es sogar zweimal. Es begab sich, dass Onkelchen in seinem Büro saß, sinnlos auf seinen Monitor stierte und sich geistig auf die Mittagspause vorbereitete. Da rumste es markerschütternd, die Fensterscheiben zitterten und alle fragten sich, was zur Hölle gerade passiert war. Wenige Minuten später rumste es nochmal, fast sogar noch stärker als beim ersten Mal. Spätestens jetzt war klar: Irgendetwas musste sie Schallmauer durchbrochen haben. Onkelchen telefonierte, verschickte E-Mails und gegen Nachmittag stellte sich dann heraus, dass zwei Jagdflugzeuge der Luftwaffe vom Typ Eurofighter die Schallmauer durchbrochen hatten, als sie einen Übungsflug absolvierten. 

Damit hätte die Sache ihr Bewenden haben können. Aber Onkelchen erinnerte sich, dass es einmal, vor langer Zeit, ein Computerspiel gegeben hatte, mit dem man selbst quasi ins Cockpit eines Eurofighters schlüpfen konnte: EF2000 von der englischen Softwarefirma Digital Image Design, kurz DID. In den 1990er-Jahren zählte DID neben den amerikanischen Branchengrößen MicroProse, Spectrum HoloByte und dem englischen Softwarehaus Digital Integration zu den führenden Herstellern militärischer Flugsimulationen. Dabei konzentrierte sich DID auf Militärflugzeuge, die sich zu diesem Zeitpunkt gerade in der Entwicklung befanden wie den Eurofighter EF2000 und den amerikanischen Luftüberlegenheitsjäger F22. Der Eurofighter absolvierte 1994 seinen Erstflug; etwa ein Jahr später brachte das Team um Martin Kenwright die seinerzeit bahnbrechende Flugsimulation heraus, mit der PC-Piloten Einsätze mit dem Eurofighter fliegen konnten.


 

Die Kritiken waren einhellig positiv. Die PC-Player, das seinerzeit für Onkelchen maßgebliche PC-Spielemagazin, vergab für das Game sogar eine 90-Prozent-Wertung und erklärte EF2000 zum damals besten Spiel seiner Art. "Für mich ist der Eurofighter die mit Abstand beste Flugsimulation", schrieb damals der PC-Player-Autor Florian Stangl. Und mit dieser Meinung stand er nicht alleine. "EF2000 ist der schönste Simulator, den ich bisher gespielt habe und setzt auch simulationstechnisch neue Maßstäbe", schrieb das Konkurrenzblatt "Power Play". Leider waren die Hardwareanforderungen zu dieser Zeit ebenfalls ziemlich hoch. Onkelchen, der als Kind gerne Pilot werden wollte, dann eine Brille verpasst bekam und dann diesen Traum begraben musste, versuchte eigentlich jedes Simulationsspiel auszuprobieren, das er in die Finger bekommen konnte. Aber sein PC war damals nicht leistungsfähig genug, um EF2000 spielen zu können. 

Einige Jahre vergingen. Onkelchen setzte seinen ersten Job in den Sand, den zweiten auch, und erst beim dritten funktionierte es einigermaßen. Onkelchen kaufte sich vom ersten Geld einen neuen PC, der mit einer der damals revolutionären 3D-Beschleunigerkarten ausgestattet war. Der Beschleunigerkarte lag zufällig eine CD mit dem Spiel EF2000 bei, ein sogenanntes Bundle. Onkelchen freute sich natürlich über diese kostenlose Zugabe. Aber ach, er schaffte es nicht, das Spiel zum Laufen zu bringen. Er steckte da wirklich viel Zeit rein, aber ohne Erfolg. Stattdessen kaufte er sich etwas später den Nachfolgetitel "F22 Air Dominance Fighter", ebenfalls von DID. Der lief ohne Probleme und war zudem mit ausführlichem Begleitmaterial wie einem mehrere Hundert Seiten dicken Handbuch, einer Tastaturschablone mit den wichtigsten Befehlen und einem weiteren informativen Begleitbuch ausgestattet, das die wichtigsten Militätflugzeuge der Welt vorstellte. Man bekam damals als Flugsimulations-Fan jede Menge Gegenwert für sein Geld.

Die 1990er-Jahre waren insgesamt das goldene Zeitalter für PC-Flugsimulationen mit militärischem Charakter. Einen großen Anteil daran hatte der Golfkrieg von 1991. In der Berichterstattung von CNN & Co. wurde die damals aktuelle miltärische Hardware ausgesprochen prominent dargestellt, der anscheinend schnelle Sieg der US-geführten Koalition (die Spätfolgen vermochte damals noch niemand zu ahnen) machte die Flugzeuge aus US-amerikanischer Produktion cool. Außerdem waren die PCs in dieser Zeit leistungsfähig genug geworden, um zumindest einige Aspekte von militärischen Kampfflugzeugen akkurat zu simulieren.

EF2000 überzeugte damals nicht nur durch das Flugmodell (also das simulierte Flugverhalten, offenbar hatte DID sehr gute Kontakte zu den Testpiloten der Royal Air Force), sondern auch durch das Setting in Nordeuropa und nicht zuletzt durch seine sogenannte dynamische Kampagne. Kurz gesagt, bedeutet das, dass der virtuelle Pilot nicht einfach eine Reihe vorgegebener Aufträge fliegen muss, sondern dass im Hintergrund tatsächlich Kampfhandlungen simuliert werden und die Leistungen des Spielers Einfluss auf den Verlauf dieses Kriegsgeschehens haben. Simpel gesagt: Zerstörtder Pilot im Rahmen eines Auftrags eine Brücke, dann hindert er die virtuellen gegnerischen Streitkräfte am Vormarsch und beeinflusst damit den Kampfverlauf für seine Seite günstig. Gelingt es ihm dagegen nicht, die Brücke zu zerstören, dann ist der Gegner im Vorteil. Diese Spielintelligenz war damals etwas Neues und sorgte für zusätzliche Motivation.

Die Nachwirkung von EF2000 war damals nicht so groß, wie die zeitgenössischen Spieletester vermuteten. Als es erschien, lief das Spiel unter DOS. Im selben Jahr erschien jedoch Windows 95 und etablierte damit Windows als Betriebssystemumgebung auch für Computerspiele. DID schobn zwar schnell eine Windows-Version nach und später noch eine weitere, die in der Lage war, die damals neuen Grafik-Beschleunigerkarten auszunutzen. Diese Vielfalt unterschiedlicher Versionen erschwerte aber den Spielefans die Orientierung, und zudem war die Version mit der 3dfx-Unterstützung nur in den USA erhältlich. 

Als nun vor ein paar Wochen der Überschallknall der Eurofighter die Fenster erzittern ließ, erinnerte sich Onkelchen wieder an die Eurofighter-Simulation. Er fand mehrere Versionen der Software auf diversen Abandonware-Seiten. Weil es mittlerweile mit DOSBox eine Systemumgebung gibt, mit der man Spiele aus dem DOS-Zeitalter auch auf modernen Rechnern zum Laufen bringen kann, war es diesmal kein Problem, den Titel zum Laufen zu bringen. Auch deshalb, weil sehr fleißige Enthusiasten einen sogenannten "Wrapper" namens "EF2000 Reloaded" entwickelt haben, der die passende DOSBox-Version gleich mitbringt und der es zudem erlaubt, die wichtigen Einstellungen (Grafikauflösung, Steuergerät, etc.) bequem vorzunehmen. Die Grafik, seinerzeit noch hoch gepriesen, wirkt heutzutage allerdings sehr simpel und sehr abstrakt. Aber EF2000 funktioniert bei Onkelchen. Fast 30 Jahre nach Erscheinen.

Sonntag, 10. September 2023

Hansi Flick ist Geschichte! Und Rudi Völler kehrt zurück (zumindest für ein Spiel!)

Was ist das für ein Wochenende! Die deutsche A-Nationalmannschaft der Herren verliert erschreckend deutlich (aber verdient) gegen Japan, der DFB zieht die Notbremse und installiert (zumindest für ein Spiel) Rudi Völler und Hannes Wolf und auf der anderen Seite der Erdkugel gewinnt das deutsche Nationalteam die Basketball-WM. Selten so viel Betrieb gehabt. Und da stellt sich natürlich die Frage: Ist Rudi Völler der Richtige, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen? Mit Tiefpunkten bei der Nationalmannschaft kennt er sich ja aus:


Onkelchen tut es eigentlich sehr leid, dass Flick demissionieren musste. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ein Trainer, der auf Vereinsebene mit dem FC Bayern alle wichtigen Titel gewonnen hat und irgendwo auch als heimlicher Architekt des WM-Sieges von 2014 in Rio galt, nun entlassen wurde. So hart ist mittlerweile das Geschäft. 

Aber man muss sich auch fragen: Braucht es tatsächlich eine solche Überbetreuung der A-Nationalmannschaft in einem Luxus-Wüsten-Resort während der WM? Was sagt es dem geneigten Zuschauer, wenn die Spieler in einem Mannschafts-Meeting mit toten Augen dasitzen und sich der Cheftrainer einen abbricht, um sie zu bespaßen? Der Trainer stellt eine Frage, und in der Mannschaft regt sich nichts - fast wie in einem Proseminar, in dem alle schlecht vorbereitet sind? 

Was hilft es, wenn die psychologische Abteilung der Mannschaft eine Doku über Graugänse zeigt - sollte man da vielleicht nicht besser eine Einheit am Kopfballpendel einplanen? Was bringt ein Statistik-Taktiknerd im Trainerteam,  der mehr Daten generiert als ein normaler Mensch jemals behalten kann? Das zumindest suggeriert die Dokumentation auf Amazon Prime, die sich mit dem gescheiterten Katar-Abenteuer der deutschen Nationalmannschaft befasst.


Nun war wieder einmal der Trainer das augenscheinlich schwächste Glied in der Kette. Doch man sollte nicht erwarten, dass eine Mannschaft, die gestern gegen Japan verliert, am Dienstag Frankreich weghauen wird. Das wird nicht passieren. Und was, wenn die nächsten Länderspiele keine deutliche Besserung bringen? 

Mag sein, dass der DFB die Notbremse ziehen musste. Aber die Ablösung von Flick bringt nur etwas, wenn a) neben den bekannten Stammkräften auch Spieler von Vereinen wie Union Berlin (Rani Khedira!!!) und anderen Clubs berücksichtigt werden und b) eine Abkehr von dem verkopften Fußballverständnis der Ära Löw erfolgt.

In diesem Sinne: Auf ein Neues!  

 

Sonntag, 13. August 2023

Ist James Bond am Ende? Onkelchen meint: Ja!

Fast jeden Tag schlägt auf Onkelchens Handy ein schamlos reißerisch getitelter Beitrag auf, der zu wissen vorgibt, wer denn nun wirklich und wahrhaftig als Nächster in die Schuhe des britischen Superagenten James Bond 007 schlüpfen darf. Das Konzept hinter diesem Clickbaiting ist einfach: Jeder mögliche Kandidat (gerüchteweise will man sich auch der Möglichkeit einer weiblichen Aspirantin nicht ganz verschließen) sollte mindestens einmal in einem dieser Posts auftauchen, damit man sich hinterher auf die Schulter klopfen kann und sagen kann: Sehr her, wir lagen richtig, wir haben den richtigen Bond-Darsteller vorhergesagt. (Und daneben wahrscheinlich noch 99 andere.) Aber so ist es eben in dem gnadenlosen Haifischbecken des Internets.

Onkelchen ist darob mitunter ziemlich verwundert. Denn aus seiner Sicht sollten sich die Produzent*innen (Palfi ist woke!) der nun schon seit ehrwürdigen 60 Jahren laufenden Filmreihe zuerst fragen, wie sie sich aus der Sackgasse manövrieren, in die sie die Serie am Ende des bisher letzten Streifens "Keine Zeit zu sterben" hineingesteuert haben. Bond ist nämlich tot, er hat für Königin und Vaterland das ultimative Opfer gebracht. Das mag den Produzenti*innen (Palfi ist woke!) zwar damals als toller erzählerischer Kniff erschienen sein. So etwas erweist sich jedoch als Bumerang, wenn man tatsächlich noch weitere Filme der Reihe drehen möchte.

Natürlich muss der Leinwand-Tod einer Hauptfigur nicht notwendigerweise das Ende einer Reihe bedeuten. Im zweiten Star-Trek-Spielfilm "Der Zorn des Khan" stirbt mit Spock die wahrscheinlich populärste Figur der ersten Star-Trek-Generation. Das war damals im Jahr 1982 (glaube ich) schon ein riesiger Aufreger, aber im Gegensatz zu den 007-Filmen war Spock bei Star Trek nie der ausschließliche Handlungsträger. Und mit der jungen Vulkanierin/Romulanerin Saavik, die in "Der Zorn des Khan" eingeführt wurde, stand ja auch eine Ersatzkandidatin bereit. Um aber eine - nennen wir es Auferstehung - des Charakters zu ermöglichen, warf Regisseur Nicholas Meyer (ein wirklich gnadenlos unterschätzter Regisseur) eine Szene ein, in der Spock eine kurze Gedankenverschmelzung mit dem ohnmächtigen Dr. McCoy vornimmt und das geheimnisvolle Wort "Remember" sagt (in der deutschen Fassung: "Nicht vergessen!"). Im dritten Star-Trek-Teil erfahren wir dann die Konsequenzen daraus: McCoy trägt die Persönlichkeit des verstorbenen Spock in sich und wird darob fast wahnsinnig. Erst die Verschmelzung dieser Persönlichkeit mit dem durch den Genesis-Planeten regenerierten Körper Spocks führt dazu, dass McCoy von dieser Last befreit wird. (Ich hoffe, ich habe hier nicht zu sehr gespoilert. Aber da die Star-Trek-Filme mit der alten Crew schon an die 40 Jahre alt sind, dürften die Handlungsstränge mittlerweile schon allgemein bekannt sein).

Genau das funktioniert aber bei James Bond nicht. Bond ist ein Geheimagent des britischen Secret Service beziehungsweise MI6, ist deshalb in der (wenn auch spekulativen) Realität grundiert und kann daher nicht durch futuristisch-übersinnliche Tricks wiederbelebt werden. Am ehesten wäre noch denkbar, dass der Superspion am Ende von "Keine Zeit zu sterben" beim Raketenangriff auf die Basis des fiesen Antagonisten Safin nicht ums Leben gekommen ist, sondern nur schwer verwundet wurde. Wegen der schweren Verbrennungen muss das Gesicht des Agenten mit aufwendigen chirurgischen Eingriffen wiederhergestellt werden - und voilà, ein neuer Bond schält sich aus den Binden. Aber dieser Trick ist erstens lahm und zweitens alt: Ältere erinnern sich vielleicht noch daran, dass genau dieser Kniff in "Dynasty" (deutsch: "Der Denver-Clan") zum Einsatz kam, als Al Corley in der Rolle des Steven Carrington durch Jack Coleman ersetzt wurde.

Alternativ könnten die Produzent*innen (Palfi ist woke!) Zuflucht dazu nehmen, die Handlung künftiger Bond-Filme in einer anderen Zeitlinie anzusiedeln oder den Start eines neuen Darstellern mit einem Reboot der Reihe zu verbinden. Die Sache mit der alternativen Zeitlinie könnte aber manche Kinogänger*innen (Palfi ist woke!) überfordern; bei Marvel oder anderen Comic-Franchises ist so etwas zwar gang und gäbe, aber siehe oben: Bond ist in der Realität grundiert und kann deshalb nicht so einfach zwischen verschiedenen Zeitlinien hin- und herhüpfen. Es ist fraglich, ob das Publikum so etwas goutieren würde. Und ein Reboot? Den hatten wir schon, als Daniel Craig 2006 in "Casino Royale" als junger, draufgängerischer Agent eingeführt wurde. Man kann so was machen, aber es nutzt sich mit der Zeit ab.

Und überhaupt: Daniel Craig war bereits der sechste Hauptdarsteller in der Bond-Reihe. Das beweist, dass es den Produzent*innen (Palfi ist woke!) immer wieder gelungen ist, den Part erfolgreich neu zu besetzen. Interessanterweise hat die Erfahrung aber gezeigt, dass ein Bond-Darsteller erst mit seinem dritten Film als etabliert betrachtet werden kann. Sowohl Connery (mit "Goldfinger") als auch Moore (mit "Der Spion, der mich liebte") und Craig (mit "Skyfall") lieferten mit ihrem jeweils dritten Film ihre definitive Interpretation des Agenten ab. In gewisser Weise lässt sich das auch bei Brosnan sagen: "Die Welt ist nicht genug" ist wahrscheinlich seine reifste Interpretation der Rolle. Und Timothy Dalton, den zum Beispiel Onkelchen, aber auch Christopher Nolan für den besten Bond-Darsteller hält, ist wahrscheinlich auch deshalb nicht so sehr in Erinnerung geblieben, weil er keine Gelegenheit zu einem dritten Auftritt mit der Walther PPK des  Agenten bekam. 

Du brauchst also drei Filme, um in der Rolle anzukommen. Das ist besonders bei Craig ganz besonders deutlich zu sehen. In den ersten beiden Streifen ist er eigentlich kein Agent, sondern ein Schläger und Killer ohne Humor und ohne jeden sympathischen Zug. Das ändert sich erst mit "Skyfall" und kommt eigentlich erst in "Spectre" zu voller Blüte. (Was für ein Trottel muss man eigentlich sein, um den von vorne bis hinten misslungenen "Keine Zeit zu sterben" für besser zu halten als "Spectre"? Gut, "Spectre" hat sicher Punkte, die man diskutieren kann, aber "Keine Zeit zu sterben" ist, abgesehen von der Havanna-Sequenz mit der liebreizenden und schlagkräftigen Ana de Armas, eigentlich nur ein freudloser "Tatort" mit Überlänge, der lediglich dazu dient, seinen Protagonisten zu dekonstruieren und der am Ende mit dem Bond'schen Heldentod endgültig an die Wand fährt.)

Was also bleibt zu tun? Die aus meiner Sicht einzige Option ist, den nächsten Bond-Streifen (und bis auf Weiteres alle folgenden) zu einem "Period Piece" zu machen, der in der Zeit angesiedelt ist, in der Original-Autor Ian Fleming die Romane geschrieben hat, nämlich in den 50er- und 60er-Jahren. Dass so etwas funktionieren kann, hat man ja bei der Erfolgsserie "Mad Men" gesehen, die in den späten 60er-Jahren spielte. Erzählerisch wäre das ein erfrischender Kniff. Ob sich das aber auch beim Publikum durchsetzt, bliebe abzuwarten. Oder am besten: Man lässt den Agenten in Frieden ruhen. Er tat, was er konnte, für Königin und Vaterland. 


Montag, 7. August 2023

Indiana Jones und der Fluch des miesen Drehbuchs

Tja, wie die Zeit vergeht! Gerade eben hatten wir noch das miese Ausscheiden der deutschen Elf in Katar vor Augen. Und jetzt haben wir schon wieder Sommer, wenngleich einen ziemlich verregneten, zumindest, was die letzten Wochen betrifft. Onkelchen hatte ein paar Tage frei, und er nutzte die Gelegenheit, mal wieder im Kino vorbeizuschauen. Das sogar zweimal. Zunächst schaute er an einem feuchtkalten Sommer-Sonntag auf Rügen den ersten Teil von Mission Impossible - Dead Reckoning, der ihm sehr gut gefiel, und vor ein paar Tagen besuchte er in seinem heimatlichen Stammkino „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. 

Obwohl Onkelchen auch diesen Streifen als recht unterhaltsam befand, gab es doch einige Dinge, die ihn an dem wahrscheinlich letzten Auftritt von Harrison Ford in der Rolle des peitschenschwingenden, abenteuerlustigen Archäologen störten. Und dabei ging es gar nicht mal so sehr um die Rolle von Indys Patentochter Helena Shaw (gespielt von Phoebe Waller-Bridge), die von anderen Kritikastern als äußerst nervig befunden wurde. Nein, es waren vielmehr einige Punkte, die Onkelchen einfach gegen den Strich gingen, weil sie tatsächlich Nonsens sind. Vorhang auf (SPOILER WARNING!!!):

- Die Heilige Lanze: Zu Beginn des Films befindet sich der digital verjüngte Indy im Jahr 1944, als Nazi-Offizier verkleidet, in einem Eisenbahnzug, der wertvolle Beutestücke ins Reich, vermutlich in die Hauptstadt Berlin, bringen soll. Ein Artefakt, das Indy den Nazis abjagen will, ist die Heilige Lanze des Longinus, also just jene Waffe, mit der Jesus Christus bei der Kreuzigung die Seitenwunde zugefügt worden sein soll. Kenner wissen aber, dass die sogenannte Heilige Lanze zum Kronschatz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehörte und in Wien aufbewahrt wurde, das seit 1938 zum Machtbereich der Nazis gehörte. Mehr noch: Der gesamte Kronschatz inklusive der Heiligen Lanze war kurz nach der Annexion Österreichs nach Nürnberg verbracht worden. Die Lanze im Film gleicht zudem dem Wiener Originalstück (das wahrscheinlich eine karolingische Flügellanze aus dem 9. nachchristlichen Jahrhundert war und mit der Kreuzigung Christi sicher nichts zu tun hatte) bis aufs Haar. Es bestand also keine Notwendigkeit für die Deutschen, sich der Reliquie zu bemächtigen: Sie hatten sie längst, sie gehörte sogar zu den „Kronjuwelen“ des mittelalterlichen Deutschen Reiches. Und für Indy gab es somit keine Notwendigkeit, den Deutschen das Relikt wieder abzujagen…

- Das Grab des Archimedes: Der wohl bedeutendste Mathematiker der griechischen Antike spielt eine wichtige Rolle im Film: Mit ihm wird der Mechanismus von Antikythera in Verbindung gebracht, der im Filmtitel zum „Rad des Schicksals“ wird. Ein guter Teil der Filmhandlung beschäftigt sich damit, das Grab des Archimedes zu finden, um den Mechanismus des Rades des Schicksals zu vervollständigen. Indy und seine Patentochter und ihre Nazi-Verfolger (oder Verfolgenden? Palfi ist woke!) steigen zu diesem Zweck in eine mit zahlreichen Fallen gespickte Höhle ein, in der sich der Sarkophag des Archimedes befindet. Das Problem ist aber: Das Grab des Archimedes hat definitiv nicht so ausgesehen wie im Film, denn es existieren antike Beschreibungen des Grabes. Eine davon stammt von dem römischen Staatsmann Cicero (106 - 43 v. Chr.), der in seiner Dienstzeit als Quästor in Syrakus tätig war und dort das Grab des Mathematikers wiederentdeckte, das seinerzeit bereits vergessen war. Cicero kannte eine alte Überlieferung, wonach das Grabmal mit zwei geometrischen Körpern, nämlich einer Kugel und einem Zylinder, geschmückt war, und er machte sich in der Nähe des Stadttors an der Straße nach Agrigent auf die Suche (dort gab es eine ganze Masse von Gräbern, wie er in seinen Erinnerungen schreibt). Dort stieß er auf ein Grabmal in Form einer kleinen Säule, das bereits stark von Dornen und Büschen zugewuchert war, und auf dieser Säule befanden sich die erwähnten Körper, nämlich die Kugel und der Zylinder. Das Grab des Archimedes sah also sicher ganz anders aus als im Film dargestellt, und da die Griechen im dritten Jahrhundert vor Christus in der Regel die Feuerbestattung pflegten, wurde Archimedes sicher nicht in einem prächtigen Steinsarkophag mit interessanten Reliefs beigesetzt. Und, sorry, als Altsprachler muss Indy seinen Cicero doch kennen! Wie konnte er nur auf die Idee kommen, dass sich das Grab des Archimedes in Alexandria befinden könnte?

- Die Ausstattung der römischen Soldaten (MEGA-SPOILER): Am Ende des Films werden Indiana Jones, seine Patentochter Helena und die Nazi-Schergen in das Jahr 212 vor Christus versetzt, wo sie gerade bei der Belagerung der Stadt Syrakus durch die römische Flotte eintreffen. Die römischen Soldaten sehen so aus, wie wir sie aus verschiedenen Römerfilmen kennen. Die spielen aber in der Regel entweder in der Zeit Cäsars (gest. 44 v. Chr.) oder in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus. Damals (genauer gesagt, seit der Heeresreform des Marius im frühen ersten Jahrhundert vor Christus) waren die römischen Heere Berufsarmeen, deren Soldaten einheitlich ausgestattet waren. Das war jedoch im Zweiten Punischen Krieg nicht so. Der typische römische Legionärshelm entstand erst in der Zeit Cäsars, und die typische Uniform mit der Panzerung aus Metallbändern wurde erst unter Kaiser Augustus üblich. Die römischen Soldaten waren also bei der Belagerung von Syrakus definitiv deutlich primitiver ausgerüstet.

- Indy ist für die Handlung ohne Belang (GIGA-SPOILER!!!): Indys Antagonist, ein Typ namens Jürgen Voller, der lose an das Raketengenie Wernher von Braun angelehnt sein soll, versucht, mit dem „Rad des Schicksals“ in der Zeit zurückzureisen. Er will sich an Hitlers Stelle setzen, um den Zweiten Weltkrieg für Nazideutschland zu gewinnen. Blöd nur, dass das „Rad des Schicksals“ vom schlauen Archimedes von Anfang an so konstruiert wurde, dass jeder, der es benutzt, im Jahr 212 vor Christus landet! Das heißt, das Ergebnis wäre immer das Gleiche geblieben - egal, ob Indy das geheimnisvolle Artefakt in die Hand bekommt oder nicht. Der Nazi Voller wäre immer im Jahr 212 vor Christus gestrandet.

Angesichts dieser Ungereimtheiten ist es kein Wunder, dass der Film an den Kinokassen stark hinter den Erwartungen zurückbleibt. Es ist einfach viel zu viel Nonsens drin.

In diesem Sinne: Bis bald!

Euer Palfi      

Sonntag, 27. November 2022

WM-Blog: Wenn Costa Rica den Deutschen eine Brücke baut

Eigentlich hatten wir ja beschlossen, die Wüsten-WM zu ignorieren. Gianni war verschnupft, nachdem die Argentinier ihr Auftaktspiel verkackten (er hatte dem argentinischen Verband angeboten, als Medium Kontakt zum Geist des allzu früh verstorbenen Fußballgottes aufzunehmen, aber der Verband zog es vor, dieses großzügige Angebot zu ignorieren), Onkelchen hatte schon vor der deutschen Blamage gegen Japan  immer wieder vor sich hin gemurmelt "Verlaura hend's, verlaura" und damit das deutsche Debakel antizipiert. Es war klar: Die Deutschen würden es nicht mehr packen, sie würden sich zwar zusammenreißen, aber *bestenfalls* mit einem ehrenhaften Unentschieden aus dem Spiel gegen Spanien gehen und damit wäre die Abreise aus Qatar perfekt gewesen. Haha. Unsere Schadenfreude auch. Peter Neururer hätte sich den Rufen, den DFB-Trainerposten zu übernehmen, nun wirklich nicht mehr widersetzen können.

Aber, ach.

Und dann passiert das, was den Fußball zu einer derart faszinierenden Freizeitbeschäftigung macht: Nachdem die Costa Ricaner von den Spaniern in deren erstem Spiel regelrecht verprügelt wurden, haben die den Deutschen (wahrscheinlich unfreiwillig, aber trotzdem) in der Partie gegen Japan eine Lifeline gebaut. Und das, nachdem die ZDF-Reporterin lang und breit erklärt hatte, dass die Jungs aus der Karibik "nicht wettbewerbsfähig" seien. Und dann macht also ein costaricanischer Herr namens Fuller ein Zwischending zwischen Schuss und Flanke (sowas passiert, wenn man den Schussknopf auf dem Xbox-Controller nicht findet), das Ganze gerät zu einem Flatterball, der japanische Torwart kommt noch mit den Fingern dran, doch der Ball flattert weiter, direkt dahin, wo unter dem Lattenkreuz die Eule schläft. 1-0. Japan verliert,  Deutschland ist wieder im Spiel.

Denn der weltweit führende Experte für Turniermathematik (also Onkelchen) hatte sofort errechnet, dass dieses Resultat den Deutschen wieder etwas Bewegungsfreiheit verschafft. Hätte Japan nämlich gewonnen, dann hätte Japan bereits sechs Punkte gehabt und Deutschland wäre dazu verdammt gewesen, gegen Spanien zu gewinnen. Schon bei einem Unentschieden hätte das DFB-Team Japan rechnerisch nicht mehr einholen können.

So aber gibt es sogar noch eine kleine Chance aufs Weiterkommen, wenn Deutschland gegen Spanien knapp verlieren würde. Voraussetzung dafür wäre, dass Japan gegen Spanien verliert und Deutschland gegen Costa Rica gewinnt - wovon man nicht unbedingt ausgehen kann.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich als Letztes.

Und selbst wenn sie wieder verkacken: Es gibt immer noch Peter Neururer.

Sonntag, 28. August 2022

"Die Ringe der Macht": Ist Gianni etwa der Sauron?

Man glaubt es kaum: Über ein halbes Jahr ist seit unserem letzten Blogpost vergangen. Viel ist passiert: Onkelchen meinte, schon wieder seinen Job wechseln zu müssen. Seither ist er jeden Tag zwei Stunden auf der Bundesstraße unterwegs, um zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Wollte er denn nicht ein für allemal das Pendlerdasein an den Nagel hängen? Zwischenzeitlich lag er zudem zwei Wochen lang mit der Corona-Seuche flach. Deshalb geht es auch bei seinem aktuellen Roman-Projekt erstmal nicht weiter, obwohl er immer wieder davon murmelt, er hätte die Lösung dieses oder jenes Handlungproblems gefunden. Auch Tante Dilein geht jobtechnisch jetzt eigene Wege, so dass beide morgens und abends erst einmal sehr lange unterwegs sind. Und das bei der Energiekrise. Mal schauen, wohin das noch führt. Es ist ja leider nicht damit zu rechnen, dass die beiden im Garten plötzlich auf Erdgas stoßen. 

Wie schön, dass Onkelchen trotzdem noch Begeisterung und Enthusiasmus für bestimmte Dinge aufbringen kann. Damit ist nicht so sehr die Fußball-WM der Herren (so präzise muss man mittlerweile sein) in Katar gemeint, sondern die in Bälde startende Fernsehserie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht". Onkelchen ist ja seit seiner Teenagerzeit ein Fan des Tolkienschen Oeuvres, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass er wie ein (etwas zu groß geratener und bebrillter) Hobbit aussieht und gerne in höhlenartigen Wohnungen lebt.

Nun hat sich allerdings die Diskussionslage um "Die Ringe der Macht" in den vergangenen Wochen deutlich zugespitzt. Nicht nur deshalb, weil die Serie rund eine Milliarde Dollar kostet (allein die Rechte sollen nicht unter einer 250 Millionen Dollar erworben worden sein, wie hier und dort kolportiert wird) und die bislang veröffentlichten Trailer eher einen uneinheitlichen Eindruck des Ganzen vermittelten. Manche Szenen sehen phänomenal aus und katapultieren die Zusehenden (Palfi ist woke!) auf den Fantasiekontinent Mittelerde, andere Kulissen wirken dagegen wie ein  zweitklassigen Passionsspiel in Niederbayern. Die bisher veröffentlichten Dialoge sind darüber hinaus eher nichtssagend, so dass im sogenannten Fandom die Unruhe zunimmt.

 
 
Allzu viel gibt der letzte Trailer noch nicht preis. Wir sehen eine junge Galadriel, die in schillernder Rüstung Monster plättet (in Peter Jacksons Filmen verwandelte sie sich dagegen in ein grünes Glibbermonster, wenn sie sauer wurde, was für Onkelchen fast ein schlimmerer Horror war als die Riesenspinnen im zweiten Teil des "Hobbit"). Andererseits weiß man aus dem "Herrn der Ringe", dass ein Oberbösewicht namens Sauron irgendwann mal einen Ring geschmiedet hat, mit dem er die Völker Mittelerdes unterjochen wollte. Die entsprechenden Zeilen hat jeder echte Tolkien-Fan sofort parat:
 
"Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden."
 
"Die Ringe der Macht" erzählen nun quasi die Vorgeschichte dieses Dramas. Ihre literarische Vorlage ist - man höre und staune - größtenteils den Anhängen des "Herrn der Ringe" entnommen. Dort finden sich unter anderem die Königslisten der verlorenen Insel Númenór, die Stammbäume der Elben, Zwerge und Menschendynastien und darüber hinaus noch ein paar hilfreiche Zeittafeln. (Einschub: Blöd ist zudem, dass die betreffenden Anhänge in der deutschsprachigen Taschenbuchausgabe des "Herrn der Ringe" lange nicht enthalten waren. Onkelchen hatte sich die Ausgabe gleich zweimal gekauft (die erste Ausgabe hatte er an eine Schulfreundin ausgeliehen, die ihm die Bücher über Jahre nicht zurückgegeben hatte). Beide Male ohne Anhänge. Er wüsste nicht zu sagen, ob die Anhänge in der "wohlfeilen" deutschen Ausgabe inzwischen drin sind oder nicht.)
 
Anders als beim "Herrn der Ringe" oder dem "Hobbit" existiert also gar kein durchgängiges Narrativ, sondern die Handlung wurde hauptsächlich aus Versatzstücken und Konjekturen zusammengestrickt. Gut, so was ist nicht verboten - man erinnere nur an die Oper "Echnaton", für die der Librettist so verstreute Informationen wie die Königslisten der späten 18. Dynastie, die Keilschrift-Korrespondenz zwischen den Hauptstädten Achetaton und Hattuscha sowie den 104. Psalm zusammenfieseln musste.
 
Ganz ähnlich lief es wohl bei "Die Ringe der Macht", wo die Handlungsfetzen aus verschiedensten Einzelquellen, Briefen und Sammelwerken zusammengetragen werden mussten. Offenbar gingen die Drehbuchschreibenden (Palfi ist woke!) dabei aber etwas zu flusig vor. Die ganze Handlung verteilt sich auf nicht weniger als rund 3400 Jahre, in der Fernsehserie werden die Ereignisse dagegen auf einige wenige Jahre konzentriert.
 
Das sorgt in der Fangemeinde für allgemeines Schütteln des Kopfes. Ein Blick in die Anhänge des "Herrn der Ringe" zeigt uns, dass das Schmieden der Ringe der Macht ungefähr um das Jahr 1600 des Zweiten Zeitalters erfolgte, der Untergang der Insel Númenór mit seinen fehlgeleiteten Übermenschen kam dagegen etwa 1700 Jahre später. Das nervt die Tolkien-Lordsiegelbewahrer. Und auch die schauspielerischen Fähigkeiten einiger Akteure und Aktricen scheinen eher limitiert zu sein, wenn man*frau*es (Palfi ist woke!) die bisher gezeigten Trailer zur Grundlage nimmt. Erste Stimmen von Leuten, die die einführenden Folgen bereits gesehen haben wollen, klingen zwar ermutigend. Aber hier scheint auch wieder das erste Gesetz der Prophetin Mandy Rice-Davis zu gelten: "Das war doch klar, dass sie das sagen würden. Oder?"
 
 
Die wichtigste Frage ist zudem: Wer übernimmt die Rolle des fiesen Oberbösewichtes Sauron? Da wir wissen, dass Sauron zu dieser Zeit in der Lage war, jedwede Gestalt anzunehmen, kann es jeder und jede sein! Ich persönlich vermute, mein missratener Sohn Gianni ist derjenige welche. Schließlich benimmt er sich in letzter Zeit ziemlich seltsam, ist oft weg. Angeblich arbeitet er für eine geheimnisvolle Organisation namens "Mozzad". Pah! Das kann doch jeder behaupten! Für mich ist klar: Gianni ist Sauron! Oder "Zauron", wie Gianni wohl sagen würde. (Er selbst bestreitet es übrigens vehement!)  
 
Ist Gianni wirklich Zauron? Wir werden es erfahren... Start der Serie ist am 2. September.



   

Sonntag, 19. Dezember 2021

Der merkwürdige Herr Schlachter

 In letzter Zeit wird Onkelchen immer wieder etwas nostalgisch bis melancholisch. Das kann natürlich der trüben Jahreszeit geschuldet sein. Aber es fällt doch auf, dass er sogar wohlwollend Geschichten aus Episoden seines Lebens erzählt, von denen er eigentlich glaubte, dass er sie schon vergessen hätte. So wie die mit dem merkwürdigen Herrn Schlachter.

Rückblende: Onkelchen war gerade mit seinem Studium an einer obskuren bayerischen Kleinstadt-Universität fertig geworden, da zog es ihn zu einer kleinen PR-Agentur nach Köln. Das war seine erste feste Stelle. Die kleine Agentur befand sich in einem renovierten Gutshof in einem geradezu dörflichen Vorort der Rheinmetropole. Onkelchen sah die Stelle nur als Übergang, bis ihm etwas Besseres über den Weg laufen würde - wir alle wissen, dass das bisher nicht der Fall gewesen ist, nicht wahr? 

Die Spezialität dieser PR-Agentur war nun, dass sie Artikel für bestimmte Produkte aus dem Gesundheits- und Wohlfühlbereich - das Wort "Wellness" war noch nicht so geläufig - in Zeitungen und Zeitschriften zu lancieren suchte. Die Firmen, die solche Produkte herstellten, hatten in der Regel keine Lust oder auch nicht das Geld, um teure Anzeigen zu schalten. Stattdessen beauftragten sie die Agentur, Artikel zu schreiben, in denen die Gesundheits- und Wohlfühlprodukte möglichst gut besprochen wurden. Und die Agentur kümmerte sich dann darum, dass diese Artikel auch in den Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 

Meist geschah das, indem man die zuständigen Redakteur*innen so lange mit Telefonaten terrorisierte, bis sie schließlich einlenkten. Oder die Mitarbeiter*innen der Agentur schauten gleich mal selbst in den  Redaktionen nach dem Rechten.  Und dann durften sich die Firmen, die neuseeländisches Teebaumöl oder Abführmittel in Tropfenform vertrieben, über kostenlose Werbung freuen - nun, ganz kostenlos war sie nicht, die Firmen hatten ja für die Agentur bezahlt. Aber das war wesentlich billiger, als zum Beispiel in der "Rentner-Bravo", aka Apotheken-Umschau, Anzeigen zu schalten.

Hier kommt nun der merkwürdige Herr Schlachter ins Spiel. Herr Schlachter war Österreicher oder Südtiroler, so genau wusste man das nicht. Auf jeden Fall war Herr Schlachter einer der, sagen wir, farbigeren Kunden der Kölner Agentur. Er vertrat eine Firma, die eine Salbe herstellte, die wahre Wunder gegen Cellulite wirken sollte. Diese Wundersalbe kostete ein kleines Vermögen pro Tube und wurde ausschließlich in Apotheken vertrieben. Herr Schlachter war nun bekannt dafür, die Kolleginnen der Agentur (tatsächlich waren es bis auf die Chefs ausschließlich Frauen) bei ihren Redaktionstouren zu begleiten und die Presseleute zu wahren Gelagen in den besten Restaurants der jeweiligen Stadt einzuladen. Er muss aber auch etwas Gewinnendes an sich gehabt haben, denn die Damen aus der PR-Agentur schwärmten stets von dem Humor und dem (wohl etwas rustikalen) Charme des Herrn Schlachter. Charaktere wie ihn hätte man früher wahrscheinlich als "Lebemann" bezeichnet.

 

So hat sich Onkelchen den merkwürdigen Herrn Schlachter vorgestellt.
 

Nun kam es, dass die Spesenrechnungen der Firma, die jenes Cellulite-Wundermittel herstellte, in den Himmel wuchsen. Andererseits häuften sich aber auch die Veröffentlichungen über die Wundersalbe, die - wie Onkelchen meinte - hauptsächlich aus einer Pampe aus zermahlenen Tannennadeln zu bestehen schien. Immer öfter erschien auch Herr Schlachter selbst in den Zeitschriften für jenes Publikum, das sich hauptsächlich für Klatsch über Prominente, Kreuzworträtsel und Gesundheitstipps interessiert. 

Irgendwann lief der Vertrag der Agentur mit der Wundersalben-Firma aus. Es schien aber sicher zu sein, dass die Firma "im nächsten Jahr oder so" wieder auf eine große Redaktionstour gehen würde. Weitere Gelage bei bester Küche schienen garantiert. Und dann würde vielleicht auch Onkelchen, der zu ahnen begann, dass es mit einer Karriere beim WDR nichts werden würde und deshalb seine Zeit mehr oder weniger mit dem Schreiben von Bewerbungen an obskure Computerzeitungen verbrachte, mit dabei sein dürfen.  

Schließlich schien der Tag gekommen. Herr Schlachter kündigte für den Frühling eine europaweite, nein, weltweite Marketing-Offensive an. Den Anfang sollte ein Presse-Essen im besten Restaurant des Kölner Umlandes machen, in einem Drei-Sterne-Lokal in einem echten Schlosshotel. Onkelchen wurde angewiesen, die Presseeinladung zu verfassen. Mit wohlkingenden Adjektiven gespickt, glitt das Einladungsschreiben aus dem firmeneigenen Drucker (Onkelchens PR-Erfolge waren zwar mehr als überschaubar, aber immerhin hatte er sich insofern unersetzlich gemacht, als er die wacklige IT und die Drucker der Agentur am Laufen hielt, und das war ja auch etwas). 

Die Chefs befanden das Schreiben für gut, und bald sollte die gesamte Journaille zwischen Koblenz und Düsseldorf zu einem Presse-Essen eingeladen werden, das niemand jemals vergessen würde. Als es daran ging, die Einladungen zu verschicken, bemerkte einer der Agentur-Chefs, dass er die Datei nicht finden könne und unter welchem Namen Onkelchen sie denn wohl abgespeichert habe. Onkelchen erwiderte, na, das sei doch wohl völlig klar. Der Dokumentenname lautete "MAMPF.DOC",1 selbstverständlicher könne es doch nicht sein. Onkelchen wusste schon damals, dass es wichtig war, zum Wesentlichen vorzustoßen.

Als nun das Schreiben mit dem Namen "MAMPF.DOC" verschickt wurde, hielt sich die Begeisterung zwischen Koblenz und Düsseldorf in Grenzen. Nur eine Handvoll Presseleute meldeten sich an. Die Agentur war etwas ratlos. So gut konnten die Betriebskantinen der Zeitungsverlage im Rheinland denn nun doch wirklich nicht sein, dass man ein solches Drei-Sterne-Gelage verschmähen würde? Man telefonierte mit der Cellulite-Wunderfirma, und es stellte sich heraus, dass man dort schon seit einiger Zeit nichts mehr von Herrn Schlachter gehört hatte. Er war wie vom Erdboden verschluckt und hatte wohl einen guten Teil der Barschaft mitgehen lassen. Schlimmer noch: Herr Schlachter hieß wohl gar nicht Herr Schlachter, sondern irgendwie anders. 

Also musste das große Presse-Gelage abgesagt werden. Alle, die sich angemeldet hatten, bekamen ein wesentlich knapperes und mit deutlich weniger Adjektiven gespicktes Schreiben.  Dass sich ein paar Tage später dann doch eine Journalistin in das Schlosshotel verirrte, in dem das Gelage stattfinden sollte, gab der kleinen Agentur den Rest. Onkelchen zog von dannen und machte zuerst ein obskures Münchner Privatradio und danach eine noch obskurere Computerzeitschrift unsicher. Ob Herr Schlachter jemals wieder auftauchte, hat Onkelchen nie erfahren.



1 Damals benutzte man noch "Windows 3.11 for Workgroups".