Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Donnerstag, 30. Dezember 2010

Der "Spiegel" hinkt wieder mal soo was von hinterher...

Die heutige Ausgabe von "Spiegel Online" geruht uns mitzuteilen, welche ehemals hippen Slang-Ausdrücke in 2011 nicht mehr als akzeptabel gelten. Dabei erwähnen die wackeren Online-Redakteure, dass der Spruch "Zack die Bohne" nun im kommenden Jahr wohl aufs Altenteil geschickt werden würde. Nur komisch: Diese Interjektion datiert zurück in die Achtziger und war damals Teil der angesagten Jugendsprache bei Schülern des Ellwanger Hariolf-Gymnasiums, die aus Pommertsweiler stammten. Bereits 1989 war er jedoch im Schwinden begriffen. Dass "Zack die Bohne" seither noch Teil irgendeines lokalen oder jugendspezifischen Soziolekts gewesen sein soll, erstaunt uns daher sehr! Hat irgendein Spiegel-Online-Redakteur etwa Beziehungen nach Pommertsweiler?

Mein Neujahrswunsch für 2011:
Dreht die "Frühaufdreher" ab!

Momentan ist ja die Zeit, in der sich die Menschen gute Vorsätze für das neue Jahr überlegen. Onkelchen möchte zum Beispiel endlich abnehmen (wie oft denn noch?), Tante Dilein mit dem Rauchen anfangen (nicht wirklich!) und so weiter. Ich finde aber, dass auch öffentliche Institutionen sich Gedanken um gute Vorsätze machen sollten, und einen guten Vorschlag habe ich hier schon mal an den Bayerischen Rundfunk: Schafft die unausstehlichen "Frühaufdreher" ab!

Kontext first: Bei den "Frühaufdrehern" handelt es sich (wie der Name schon andeutet) um das stets schrecklich gut aufgelegte Moderatorenteam der Morgensendung im Radioprogramm Bayern 3. Es sind drei an der Zahl, und schon diese Tatsache lässt an eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seitens der genannten öffentlich-rechtlichen Anstalt denken. Denn andernorts bestreitet bestenfalls ein Moderatorenduo die knochenharte Frühschicht (Onkelchen hat selbst mal die Frühschicht bei einem obskuren bayerischen Lokalsender-Konsortium in der Redaktion mitbestritten und weiß, dass das wirklich hart ist), aber die infernale Dreieinigkeit von Bayern 3 ist unseres Wissens ein Unikat im deutschen Äther.

Die Rollen sind in diesem dreifach besetzten Schauerstück klar verteilt: Bernhard Fleischmann gibt den oberbayerischen Lachbär und Bayernfan. Marcus Fahn hat zwar eigentlich das Zeug dazu, eine Sendung klar und schnörkellos zu moderieren, seine einzige Aufgabe scheint jedoch darin zu bestehen, darauf hinzuweisen, dass es neben den Bayern auch noch einen anderen Bundesligaklub im Sendegebiet gibt. Claudia Conrath last but least fällt die Rolle der tantigen Kindergärtnerin zu. Montags gehört es zu ihren Aufgaben, die Diskussion zwischen Clubfan Fahn und Bayernfan Fleischmann mit einem tantigen "Jungs, is' doch nur Fußball!" abzuwürgen. Da die Bundesligaergebnisse zu diesem Zeitpunkt meist ohnehin schon 36 Stunden alt sind und bereits eingehend im "Doppelpass" auf Sport1 besprochen wurden, lohnt das Nachkauen eh nicht, so dass man Frau Conrath für dieses Abkürzen eigentlich regelrecht dankbar sein sollte, wenn es nicht so derart humorlos dahergebracht würde. Allerdings scheint sich Frau Conrath dann und wann durchaus für den einen oder anderen Fußballer erwärmen zu können (z.B. Luca Toni), allerdings nur aus optischen Gründen, nicht wegen dessen spielerischen Qualitäten. Schlimm ist auch die aufgesetzte Betroffenheit der Frau Conrath, wenn sie wirklich mal im Radio etwas vermelden muss, das nicht ins Li-La-Launebär-Schema passt.

Onkelchen nimmt das inhaltsleere Geplapper der "Frühaufdreher" ja eh stoisch hin, wenn er zum Wochenanfang in den Job fährt und dabei Bayern 3 wegen der Verkehrsnachrichten hört. Kürzlich waren aber Onkelchen und Tante Dilein zusammen im Sendegebiet des BR unterwegs, da sie vom Nürnberger Flughafen in Richtung Süden fliegen wollten. Tante Dilein war geschockt ob des niveauarmen Gewinsels auf dem Sender, das obendrein noch lustig sein sollte.

Denn auffällig (und für eine öffentlich-rechtliche Anstalt letztlich beschämend) ist, dass die allermeisten inhaltlichen Beiträge letztlich von den Hörern kommen. Zum Beispiel der sogenannte Verhörhammer: Hörer mailen ins Studio, dass sie ein englisches Lied kennen, das eine Phrase enthält, die wie eine deutsche Textzeile klingt. Schickt kein Hörer einen Vorschlag ein, fällt der Verhörhammer aus (oder man behilft sich mit einem aus dem Archiv, der bereits in einer früheren Sendung lief). Ein weiteres Beispiel ist die Reihe "Unglaublich, aber wahr". Claudia stellt den beiden Jungs in oberlehrerhaftem Ton die Aufgabe, irgendjemand im Sendegebiet zu finden, der/die eine ganz merkwürdige Kombination von Eigenschaften besitzt - etwa einen Verwandten eines bekannten Hollywoodstars oder einen Menschen namens Boris Becker, der am Tag des ersten Wimbledonsieges des "echten" Boris Becker geboren sein soll. Nun schmeißen sich aber nicht die Moderatoren Marcus und Bernhard selbst ins Zeug, um diese Bekloppt-Recherche selbst anzustellen, sondern überlassen es den Hörern, wichtige sachdienliche Hinweise beizubringen. Aufschlussreich war auch die Reihe "Frühaufbläser", die es im zurückliegenden Herbst eine Zeitlang gab, in der Blaskapellen aktuelle Schlager anspielen durften. Auch diese Beiträge wurden ja letztlich vom Publikum "eingereicht". Interessant ist immerhin, dass viele sogenannte Hits eine schreckliche musikalische Eintönigkeit offenbaren, wenn sie von einer Blaskapelle intoniert werden. Manche Songs, etwa von Katy Perry oder Lady Gaga, zeigen ihre kompositorische Armseligkeit ja erst dann, wenn sie ihrer elektronischen Effekte entkleidet und auf Naturinstrumenten gespielt werden.

Gewürzt wird das Ganze noch mit schrecklich fader Comedy, die letztlich nur Altbekanntes wiederholt, nämlich dass Lothar Matthäus angeblich kein Englisch kann, Seehofer ein aufgeblasener Gschaftlhuber ist und Günther Beckstein eh nie was zu sagen hatte. Tut uns also einen Gefallen, liebe Senderverantwortliche des BR: Hinfort mit den Frühaufdrehern!

Montag, 13. Dezember 2010

Wie verpönt war Karl May?

Kurz vor Weihnachten ist ein Buchladen natürlich eine der unverzichtbaren Stationen beim Einkaufsbummel für das kommende Christfest. Und so begab sich auch Onkelchen mit seinem anvertrauten Weibe in die Stadt Aalen, um dort zu betrachten, welche Bücher ihren Lieben denn nun Freude machen würden.
Wie nicht anders zu erwarten, waren die Regale des Buchladens voll mit Vampirromanen für halbgare Teenager, mittelalterlichen Wanderhuren-Phantasien und Romanen über überspannte lebensuntüchtige Großstädter à la "Hummeldumm". Allesamt Bücher, deren Heizwert weit über ihrem literarischen Anspruch oder auch nur ihrem Unterhaltungswert liegt.
Onkelchen nutzt eine solche Gelegenheit ja gerne dazu, sich über den Verfall der Sitten zu ereifern. Und so fragte er an der Kasse, wo denn die guten alten Jugendbuch-Klassiker von Karl May oder "Tom Sawyer" von Mark Twain zu finden seien.
Die Frau an der Kasse, ohne Zweifel eine gebildete Händlerin, die die Vorlieben des heutigen Publikums sicher genau kennt, verwies darauf, dass eine Buchhandlung ja allein schon für Karl Mays gesammelte Werke ein Extra-Regal braucht.
"Das gab's früher in jeder Buchhandlung", entgegnete Onkelchen.
"Vor dem Krieg vielleicht", meinte die Buchhändlerin. "Heute liest das kein Mensch mehr."
"Vor dem Krieg war Karl May verpönt", gab Onkelchen zurück.
"War er nicht", entgegnete die Buchhändlerin.
"War er doch", blaffte Onkelchen zurück. "Oder warum glauben Sie, sind die Bücher erst in den sechziger Jahren verfilmt worden?"
Tante Dilein schlichtete die Auseinandersetzung, indem sie Onkelchen das Strickbuch von Magdalena Neuner (Deutschlands bestem Flintenweib) zeigte und die Frau an der Kasse meinte, das sei nun wirklich das ideale Geschenk für Männer.
Genau das ist das Problem, findet Onkelchen. Es geht nicht darum, ob Karl May nun in der Nazi-Zeit verpönt war oder nicht - das spielt letztlich keine Rolle. Es geht vielmehr darum, dass den Jungs immer mehr die Abenteuer verloren gehen. Jungs (oder Männer) dürfen keine Abenteuer mehr erleben oder auch einfach losziehen und Spaß haben. Bücher, in denen die guten Jungs sich an die Fersen der bösen Jungs heften und den bösen Jungs das Spiel verderben, sind out. Die Political Correctness verbietet das. Stattdessen sind die Buchhandlungen voll von Geschichten, in denen es Mädchen gegen alle widrigen Umstände ganz nach oben schaffen. Gegen solche Stoffe ist nichts zu sagen, es muss aber das Entsprechende für Jungs geben, Geschichten eben, mit denen sich Jungs identifizieren können.

Ich weiß also nicht, ob Karl May in der Nazi-Zeit verpönt war. Heute ist er es auf jeden Fall. Werde mal den "Schatz im Silbersee" wieder aus dem Regal holen. Gelesen habe ich ihn nämlich noch nicht...

Nachtrag: Dr. Peter Kruck, seines Zeichens Lektor und damit ohne Frage ein bibliophiler Mensch, hat jüngst bei seinem Auftritt bei "Wer wird Millionär?" den jungen Menschen die Lektüre von Karl May eindringlichst ans Herz gelegt. Das ist nur fair, denn dank Karl May konnte er die 125.000 Euro-Frage richtig beantworten. Gefragt war nach der Herkunft schratiger Romangestalten wie zum Beispiel "Tante Droll" - dieser kommt im "Schatz im Silbersee" vor. Alse, liebe Kinder und junge Menschen: Karl May lesen bildet! Es muss nicht immer das Tolkien- und Star Wars-Glump sein!

Stiefel sind Macht

Vor einigen Jahren hieß es "Die hat die Hosen an", wenn man sagen wollte, dass sich eine Frau nicht mehr mit ihrer überlieferten Rolle zufrieden gab. Heute passt das nicht mehr: Frauen sind (glücklicherweise) emanzipiert. Roger Cicero sang sogar sehr richtig "Frau'n regier'n die Welt", aber nicht alle tragen Hosen. Es gab sogar wieder eine Renaissance des Rockes. Das wahre Machtsymbol der Herrschaft der Frau über den Mann ist daher nicht mehr die Hose, sondern der Stiefel.
Stiefel sind ja grundsätzlich eine praktische Fußbekleidung, wenn man im Matsch oder im Stall herumlatschen muss. Man kann das Hosenbein in den Schaft stecken, so dass die Hose sauber und/oder trocken bleibt. Auch für Reitstiefel gibt es praktische Gründe, die sich mir als Nicht-Reiter allerdings verschließen. Ein Modeartikel waren sie allerdings bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht.

Merkwürdig ist aber, dass Männer heutzutage im Alltag so gut wie nie hohe Stiefel tragen, Frauen dagegen schon. Und was für welche! Bei manchen Stiefelmodellen würde jeder Landsknecht aus dem 30jährigen Krieg geradezu neidisch. Siehe zum Beispiel hier:


Hohe Stiefel waren immer auch ein Machtsymbol. Ein frühes Beispiel dafür ist aus der römischen Geschichte überliefert. Julius Caesar war als Pontifex Maximus - also als römischer Oberpriester - dazu berechtigt, bei bestimmten religiösen Zeremonien die Tracht der Könige von Alba Longa anzuziehen. (Kurzer Einschub: Alba Longa war eine Stadt in Latium, die angeblich von Iulus, dem Sohn des Trojaners Aeneas, gegründet worden war. Aeneas wurde als Stammvater des römischen Volkes angesehen. Einschub Ende.) Zu diesem Outfit gehörten hohe rote Stiefel. Die normalen römischen Schuhe (auch die caligae, die Soldatenstiefel oder besser Kampfsandalen der Legionäre) reichten lediglich bis zum Knöchel, die Stiefel der Könige von Alba Longa dagegen bis zum Knie. In den letzten Monaten seines Lebens trug Caesar diese Stiefel täglich in der Öffentlichkeit. Dieser Modetick (die Romanautorin Colleen McCullough meint, Caesar habe die Stiefel wegen seiner Krampfadern getragen - Stützstrümpfe gab es ja noch nicht) war letztlich ein Grund für Caesars Ermordung! Denn einige der Senatoren meinten, Caesar wolle mit diesen Stiefeln seinen Anspruch auf den römischen Königstitel demonstrieren. Für die Römer war das ein Tabu - das Ergebnis ist bekannt.

Dass Stiefel über die Jahrhunderte ein Symbol für Macht und Stärke blieben, ist leicht einzusehen. Denn wer die Botten trug, saß meistens auf dem hohen Ross. Für Kaiser und Könige gab es sogar spezielle reich verzierte Krönungsstiefel. Dass heutzutage praktisch nur noch Frauen mit diesem Schuhtyp herumstiefeln (auf die sexuellen Konnotationen von Stiefeln als Fetischobjekt möchte ich hier nur am Rande eingehen - ist denn eine Domina ohne Stiefel überhaupt denkbar?), zeigt eindeutig, dass die Männer den Geschlechterkampf endgültig verloren haben. Caesar ist tot. Männer schlurfen, Frauen stiefeln.

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Wie wehrt man sich gegen Wohltäter?

Nach dem etwas länglichen und wenig zielführenden Beitrag von Onkelchen über eine zu Recht schon fast vergessene Fernsehserie (keiner meiner Bekannten und auch keiner unserer Pfleger hat meines Wissens jemals regelmäßig "Lindenstraße" geguckt) bin nun ich, der Herr dieses Blogs, wieder an der Reihe und möchte mal wieder ungehemmt lästern.

Der Advent ist ja die Zeit, in der viele Menschen Weihnachtsstress haben. Ich als Elefant rätsele ja, warum das der Fall ist. Es geht letztlich ja darum, dass man über Weihnachten ein paar nette ruhige Tage verbringt. Warum man sich dann in der Zeit davor so abhetzt, geht mir nicht in meinen Kopf hinein. Und warum man dann auch noch teure Geschenke für all die mehr oder weniger Lieben kauft, die dann ein paar Tage später ohnehin in der Ecke landen, sehe ich auch nicht bein. Die besten, weil nachhaltigsten (da immer wieder gebrauchten) Weihnachtsgeschenke, können ja ohnehin unter dem Kürzel SOS zusammengefasst werden - aber nur wenn man Schwabe ist: Socka, Onderwäsch, Schloafanzug (alternativ auch: Socka, Onderhemd, Schlüpfer). Das braucht man nämlich täglich.

Ein weiteres Phänomen der Adventszeit ist, dass minder begabte Chöre, Flötenkreise und Kindergartengruppen in Altenheime und Seniorenresidenzen einfallen, um dort adventliche Stimmung zu verbreiten, in der törichten (weil oft irrigen) Annahme, den alten Menschen würde damit eine Freude bereitet. Dem ist mitnichten so. Derartige Auftritte sind zwar in der Regel gut gemeint - aber gut gemeint ist ja nicht erst seit gestern das Gegenteil von gut gemacht. Und alte Leute sind ja nun allein nicht deswegen weniger schutzbedürftig, weil sie alt sind. Vielleicht fallen ihnen schräge Töne nicht so sehr auf, wenn sie ohnehin schon ein Hörproblem haben. Aber damit sollte man nicht unbedingt rechnen: Onkelchens bester Freund arbeitet für einen der bedeutendsten Hörgerätehersteller, und ich darf sagen, dass diese kleinen Geräte inzwischen sehr leistungsfähig geworden sind! Aber sie haben den großen Vorteil, dass man sie abstellen kann, wenn das Gesinge und Gepfeife zu infernalisch wird.

Onkelchen ist Mitglied in einem solchen Chor, der am kommenden Wochenende das Altenheim St. Korbinian in Baldham bei Vaterstetten heimsuchen wird. Hiermit möchte ich alle Insassen des betreffenden Seniorenheimes vor dieser Invasion warnen! Alternativ empfehle ich Abwehrmaßnahmen, wie sie bereits das Seniorenstift am Höcklager Industrieweg in Stenkelfeld ergriffen hat. Wie sich die Senioren tapfer gegen die vorweihnachtlichen Krachmacher zur Wehr setzen, sehen Sie hier:

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Ich habe nur einmal "Lindenstraße" geguckt

Es ist ja so eine Sache mit Jubiläen und Jahrestagen: Manche will man gar nicht wahrhaben ("Ist das wirklich schon so lange her?"). Das trifft vor allem auf diejenigen Jubiläen zu, an denen wir sehen, dass wir alle ein gutes Stück älter geworden sind. Ein Beispiel dafür ist der 20. Jahrestag der Wiedervereinigung, präziser gesagt des Beitritts der fünf neuen Bundesländer zur Bundesrepublik Deutschland. In dem aufregenden Jahr, das dem Jubeltag vorausging, wollten viele, mich eingeschlossen, nur zu gerne glauben, dass jetzt der Weltfrieden ausgebrochen sei. Und außerdem wurden wir kurz zuvor auch noch Fußball-Weltmeister. Vom Endspiel 1990 habe ich auch noch eine DVD, die ich mir manchmal angucke, wenn ich Zeit habe und allein bin.
Andere Jubiläen werden mehr oder weniger pflichtschuldigst registriert. So etwa der Kniefall von Willy Brandt vor 40 Jahren in Warschau. Das war eine wichtige und gute Geste, für die Willy allerdings damals auch sehr angefeindet wurde (unter Konservativen war es eine Zeit lang Mode, ihn als "Willy Weinbrand" zu bezeichnen). Das sind in der Regel die Jahrestage, die dazu dienen, unser staatsbürgerliches Koordinatensystem wieder angemessen einzunorden.
Zur dritten Gruppe der Jubiläen zählen jene, auf die man mit der fassungslosen Frage reagiert: "Gibt's den/die/das immer noch?". Und ein solches Jubiläum hat vor kurzem die Fernseh-Endlosserie "Lindenstraße" gefeiert - das 25., das will ich hier nicht verschweigen.
Die Welt, in der die Lindenstraße spielt, hat Max Goldt einmal als "Parallel-München jenseits der Zeitleiste" (oder so ähnlich) bezeichnet. Er war laut seinen Kolumnen eine Zeitlang wohl leidenschaftlicher Lindenstraße-Gucker, stieg dann aber aus, als die Katastrophen, die da jede Woche auf die Bewohner ebenjenes Parallel-Münchens einprasselten, nicht mehr zu ertragen waren. Es gab wohl kurz vor oder nach der Wiedervereinigung eine Folge, die komplett in der früheren DDR spielte, die Goldt, den wir hier wohl zu Recht als Arbiter Elegantiarum anführen dürfen, nicht goutierte. Ich musste mal vor ewigen Zeiten eine Lindenstraße-Folge gucken, weil ich mich damals um ein Volontariat beim WDR bewarb und eine der Aufgaben für die Bewerber darin bestand, die Folge 589 ("Reiner Wein") zu kommentieren. Da das mit dem Volontariat letzlich nicht klappte, darf ich die dafür aufgewendete Lebenszeit durchaus als verschwendet betrachten. "Reiner Wein" war also die erste und einzige Lindenstraße-Folge, die ich von Anfang bis Ende ohne Unterbrechung guckte. Seither nie wieder.
Man darf den Machern der Serie durchaus zugute halten, dass sie versucht haben, gesellschaftlich mehr oder weniger relevante Themen wie AIDS, gleichgeschlechtliche Liebe, Zuwanderung, Rechtsradikalismus und Ähnliches im Lindenstraße-Kosmos quasi wie in einem Brennspiegel in dramatischer Form aufzubereiten. Vielleicht ist ja der oder die eine oder andere dadurch zum Nachdenken gekommen ("Was wäre, wenn mein Sohn schwul wäre/AIDS hätte/in rechtsradikale Kreise abgleiten würde?"). Das Problem ist aber, dass Hans W. Geißendörfer und Konsorten bei alledem vergessen haben, interessante Geschichten zu erzählen. Das liegt auch daran, weil die Serie von Anfang an als Endlosserie konzipiert wurde. Jedes ordentliche Drama hat einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss - und einen Spannungsbogen. Die Lindenstraße dagegen dümpelt und dümpelt und dümpelt. Es geht immer weiter ... und weiter ... und weiter. Alles dreht sich im Kreise. Immer dasselbe.
Eines will ich noch erzählen. Einmal war ich mit meiner Frau am Kölner Hauptbahnhof und dort erblickte sie einen Typen, der in der Lindenstraße einen Menschen namens "Hajo" spielte. Ich hätte Hajo nie erkannt. Ich sah ihm nach, wie er auf dem Bahnsteig stand und traurig und verloren vor sich hinguckte. Wenn man schon in einer Parallelwelt gefangen ist, so schien sein Blick sagen zu wollen, dann doch besser in einer, die ein bisschen Spaß macht.

Sonntag, 26. September 2010

Römer! Ganz frische! Lasst sie mir!

Eindrücke von den Römertagen 2010 in Aalen:



Viel zu lasch, die Profis heutzutage!



Meine Bonasterose, schlimmer als ich dachte!



Onkelchen verbrüdert sich mit den Römern!

Sonntag, 29. August 2010

München ist Mist! Eine Polemik gegen Deutschlands überschätzteste Stadt

Aufgrund der beruflichen Situation von Onkelchen sitzt unsere Elefanten-WG derzeit in München fest. Doch keine deutsche Stadt hat in den letzten Jahren so sehr den Anschluss an den Zeitgeist verloren wie die früher so stolze "heimliche Hauptstadt Deutschlands". Ein Krisenbericht von Onkelchen.

Zugegeben, es gibt noch einige Dinge, die in München richtig gut laufen. Der FC Bayern zum Beispiel. Ich bin zwar kein Bayern-Fan, aber man muss doch zugeben, dass der FC Bayern, nicht zuletzt in der abgelaufenen Saison, mehr denn je das Herz des deutschan Fußballs bildet. Auch wenn die Bayern am Freitag gegen Lautern verloren haben, wird ihnen wahrscheinlich der Meistertitel in dieser Saison nicht zu nehmen sein.
Auch von den öffentlichen Verkehrsmitteln in München können sich viele deutsche Städte eine Scheibe abschneiden. OK, ab und an fällt mal eine S-Bahn aus, aber verglichen mit den Zuständen in Berlin funktioniert der öffentliche Nahverkehr in Bayerns Metropole prächtig.

Auf fast allen anderen Gebieten sackt München aber ab, nur will es keiner so recht merken. Das beginnt mit dem eingangs genannten Gerede von Deutschlands heimlicher Hauptstadt: Es stimmt einfach nicht mehr. In der alten Bundesrepublik war Bonn lediglich das Verwaltungszentrum, die wichtigen Trends in Kultur, Mode und Medien wurden aber woanders kreiert, und da spielte vor allem München eine wichtige Rolle. Zudem wurde in den Kohl-Jahren, nicht zuletzt in der Ära des Franz Josef Strauß, ein guter Teil der Bundespolitik in München ausgeheckt. Beides gehört aber immer mehr zur glorifizierten Vergangenheit: Berlin ist auch kulturell die Kapitale der Republik, jeden Tag ein Stückchen mehr. Und die CSU verblasst zu einem kuriosen Regionalverband einer schwächelnden Volkspartei. Willkommen in der Normalität!

Natürlich weist München immer noch die höchsten Mieten und Lebenshaltungskosten in Deutschland auf, aber der Gegenwert dafür nimmt ab. Wirtschaftlich mögen die Münchner zwar immer noch gut dastehen, aber das Image, die Hightech- und Medienmetropole des Landes zu sein, blättert zusehends ab. Die Losung von "Laptop und Lederhose" ist schon 15 Jahre alt, und das Schlimmste: Man merkt es. Viele der einstmals stolzen Bürobauten, die Hightech-Startups mit klingenden Namen beherbergten, stehen leer. Es gibt zwar immer noch Siemens und Microsoft und Oracle, und das mag vieles übertünchen. Doch die Entwicklungsarbeit, die eigentliche Innovation, findet schon längst woanders statt, in Osteuropa, in China, in Indien. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Entwicklung München mit voller Wucht treffen wird.

Zudem befindet sich die Medienstadt München seit einigen Jahren in einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale. Beispielhaft dafür steht der "Focus", einst als Gegenmodell zum "Spiegel" gegründet. Die Auflage und die Werbeumsätze befinden sich im Sinkflug. Die Redaktion wird ausgedünnt, und der eine oder andere einst üppig entlohnte Journalist merkt nun, wie es ist, im Arbeitsamt in der Schlange zu stehen. Vielleicht hätte der oder die eine oder andere nicht so leichten Herzens das Hohe Lied des Wirtschaftsliberalismus gesungen, wenn er/sie geahnt hätte, wie schnell einen auch die Schattenseiten des Laissez-Faire-Kapitalismus einholen können. Und auch insgesamt weist die in den Neunzigern blühende Medienlandschaft immer mehr hässliche Brandlöcher auf: Die einst stolze "Süddeutsche Zeitung" ist ein Schatten ihrer selbst und bietet außerhalb des Politik- und Sportteils nur mehr das Niveau einer (nicht sehr guten) Schülerzeitung; was die Berichterstattung aus den Stadtteilen betrifft, sind zum Teil die am Wochenende kostenlos im Briefkasten liegenden Anzeigenblätter besser. Die einst stolze IT-Fachpresse befindet sich im freien Fall. Und die Privatradios, die ihre beste Zeit schon lange hinter sich haben, senden nur noch Brei, eine Entwicklung, der sich der Bayerische Rundfunk freudig anschließt.

Kulturell fliegt München seit dem Tod von August Everding, dem einstmals so umtriebigen General-Impresario des Münchner Staatstheaters, auf Autopilot. So wie es aussieht, wird man Kent Nagano, den Generalmusikdirektor der Münchner Oper, nicht mehr allzu lange halten können bzw. wollen. Schade, denn der Amerikaner mit japanischen Wurzeln verhinderte in den letzten Jahren mit einigem Erfolg, dass die Münchner Klassizszene zu sehr im eigenen Saft schmorte und ins Provinzielle abrutschte. Aber dem Münchner Opernpublikum reicht es ja, wenn die Netrebko zweimal im Jahr in der Stadt ist, um Schuhe zu kaufen.

Man muss auch konstatieren, dass München die Rolle von Deutschland wichtigster und einflussreichster Filmstadt an Berlin verloren hat. Mit der Berlinale findet das meistbeachtete Filfestival der Nation, wie der Name schon sagt, in Berlin statt, und auch die interessanteren Produktionen finden immer häufiger den Weg an die Spree. München lebt da immer noch vom schalen Glanz der Achtziger und davon, dass irgendwann mal die "Unendliche Geschichte" in der Bavaria gedreht wurde. Der Glücksdrache Fuchur, einstmals das Highlight jeder Bavaria-Tour, staubt immer mehr ein, und als ich vor kurzem beim Zappen gewahrte, dass die "Unendliche Geschichte" mal wieder im TV wiederholt wurde, fragte ich mich, warum dieser Mist (ich rede vom Film, nicht vom Buch) damals so hochgejubelt wurde. Man muss leider konstatieren, dass der damals teuerste deutsche Film heute einfach alt aussieht (Der innovativste deutsche Regisseur, Roland Emmerich, wurde ja bekanntermaßen an der Münchner Filmhochscule verkannt und dreht heute in den USA Blockbuster um Blockbuster!).

München galt auch mal als die sicherste deutsche Großstadt. Rein statistisch gesehen mag das heute noch stimmen. Nur muss sich die Stadt spätestens seit dem Fall Dominik Brunner eingestehen, dass auch sie ein Gewaltproblem gibt. Ein böser Kratzer im Lack der angeblich so hohen Münchner Lebensqualität. Auch das Aushängeschild der hochgelobten Münchner Gemütlichkeit, das Oktoberfest, baut immer mehr ab. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Gemütlich ist woanders. Familienfreundlich ist es wegen der hohen Preise schon lange nicht mehr. Die Gewaltbereitschaft der alkoholisierten Festbesucher steigt von Jahr zu Jahr (wer's nicht glaubt, frage einen der Münchner Taxifahrer), und außerdem ist die Wies'n seit Jahren nur noch ein Treffpunkt für Touristen und Zugereiste (die sich dafür aber in teuren Trachtenklamotten verkleiden und sich am Tag nach dem Wies'n-Besuch fragen, wie man bloß die Kotze wieder abkriegt).

Nicht zuletzt gibt es das typische Münchner Lokalkolorit nicht mehr - es ist wohl spätestens mit dem Mosi-Mord gestorben. Ralph Siegel ist todkrank und wird keinen Grand-Prix-Siegertitel mehr schreiben. Sedlmayr ist schon lange tot. und das Pumuckl sucht vergeblich nach seinem Meister Eder. Alles und alle, was München vor Jahren noch hip, cool, gemütlich, lebens- und vielleicht liebenswert gemacht hat, ist entweder gestorben oder hat seine Zelte abgebrochen. Das Schlimme ist, dass München das alles (hip, cool, gemütlich, lebensa- und liebenswert) nach wie vor sein will, aber eben nicht mehr ist. Und es ist diese Diskrepanz zwischen selbstgestelltem Anspruch und Wirklichkeit, die München besonders unsympathisch macht.

Fassen wir zusammen: München ist die Wiedervereinigungs-Verliererin unter den deutschen Großstädten. Nur ein Flächenbombardement kann daran etwas ändern.

Samstag, 17. Juli 2010

In memoriam: Kater Maunz


Heute muss ich leider eine traurige Mitteilung machen. Kater Maunz, der kleine Liebling von Onkelchen und Tante Dilein, musste eingeschläfert werden. Maunz war so ein lieber und hübscher Kater, hatte aber wohl von Geburt an die tückische FIV-Krankheit, landläufig auch als "Katzen-Aids" bekannt.

Dadurch nahmen die Abwehrkräfte unseres kleinen Katers immer mehr ab, zuletzt war jeder Atemzug eine Qual.

Lieber Maunz, ich hoffe, dass Du jetzt an einem besseren Ort bist!

Wir werden Dich vermissen!

Die Elefanten-WG Kurt Palfi, Gianni Dona und Paco Alvalade.

Freitag, 16. Juli 2010

28 Jahre hat Onkelchen danach gesucht...

... die englisch-jiddische Version von "Codo!"
Einmal hat er es auf (damals) SDR 3 gehört, seitdem nie wieder. Und hier ist sie! Youtube sei Dank!!

Sonntag, 11. Juli 2010

WM-Blog: Das verflixte Spiel Nr. 63

Eigentlich wollte ich diesen Blogeintrag schon gestern vormittag schreiben, aber da war es mir zu heiß! Heute ist es leider noch heißer als gestern, aber da ich - wie die deutsche Nationalmannschaft - das Bedürfnis habe, diesen WM-Blog zu einem versöhnlichen Ende zu bringen, muss eben geschrieben werden.

Schon klar: Das Spiel um den dritten Platz ist ein Fremdkörper im WM-Spielplan. Bei der Europameisterschaft gibt es dieses Platzierungspiel seit 1984 nicht mehr, und niemand vermisst es. In anderen Sportarten haben solche Spiele durchaus eine gewisse Bedeutung, zum Beispiel im Handball, weil man sich mit dem dritten oder fünften Platz eventuell die Direktqualifikation für das nächste Turnier oder die Olympischen Spiele sichern kann. Bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften war dies jedoch nie der Fall, es ging von vornherein immer nur darum, wer die Bronzemedaillen kriegt und wer mit einem feuchten Händedruck vom Platz geht.

Interessanterweise war Deutschland im Jahr 1934 der erste WM-Dritte (bei der Premiere im Jahr 1930 gab es kein Spiel um Platz drei), und mit vier dritten Plätzen (1934, 1970, 2006, 2010) ist Deutschland bei insgesamt fünf Teilnahmen die erfolgreichste Nation im kleinen Finale. Lediglich 1958 ging Deutschland gegen Frankreich im kleinen Finale mit 3-6 unter, ansonsten waren die Männer mit dem Adler in der ungeliebten Platzierungspartie immer siegreich. Es gibt also durchaus eine gewisse Beziehung zwischen Deutschland und diesem seltsamen Spiel, das zur WM dazugehört, aber auch irgendwie nicht, denn es findet gewissermaßen außerhalb des Wettbewerbes statt. Beide Teilnehmer sind aus dem Rennen um den Cup ausgeschieden, müssen aber trotzdem noch mal ran. Ein bisschen erinnert das Ganze an Apollo 13: Das ganz große Ziel ist in weite Ferne gerückt, aber bevor man nach Hause kommen kann, muss man noch mal eine Ehrenrunde um den Mond drehen. Und hinterher verkauft man das Ganze dem staunenden Publikum als Erfolg.

Überraschenderweise ist diese Partie eigentlich spätestens seit 1982 ein Garant für unterhaltsame Spiele. Zuvor gab es eine Reihe von müden 1-0-Kicks, bei denen die beteiligten Spieler jeweils nach dem Führungstreffer fast alle Aktionen einstellten. Mitunter waren die Spiele um Platz drei sogar besser als die eigentlichen Endspiele, so etwa 1994 (ein 4-0 von Schweden gegen Bulgarien, während die Italiener und die Brasilianer sich im Finale neutralisierten und das Elfmeterschießen entscheiden musste) und 2006 (als die deutsche Ersatzelf die Portugiesen um Cristiano Ronaldo und Figo mit 3-1 besiegten, während Italiener und Franzosen im Finale lediglich ein 1-1 zustande brachten und auch hier die Strafstöße entschieden). Denn das Paradoxon des Spiels um Platz drei ist: Es geht eigentlich um nichts mehr, deshalb legen die beteiligten Mannschaften häufig die taktischen Zwänge ab. Die Defensive steht nicht mehr so sehr im Vordergrund, deswegen fallen im kleinen Finale oft mehr Tore als im eigentlichen Endspiel.

Das schönste "Spiel 63" der Geschichte lieferten sich aber 2002 die Türkei und Südkorea. Die Türkei gewann 3-2, aber nach wie vor unvergessen sind die Bilder nach dem Spiel, als sich beide Teams miteinander verbrüderten und sich Arm in Arm auf dem Rasen bei ihren Fans bedankten (im folgenden Video ab 6:48).



In diese ehrenvolle Ahnenreihe hat sich auch gestern die Partie zwischen Deutschland und Uruguay eingereiht. Natürlich war vor allem den Deutschen die Enttäuschung über das verpasste Finale sehr stark anzumerken. Aber: Sie zogen sich glänzend aus der Affäre und gewannen 3-2. Und wer war der Sieger? Der Fußball.

Freitag, 9. Juli 2010

WM-Blog: Manndeckung gegen Spanien!

Die deutsche Nationalmannschaft konnte es nicht - nun steht Holland vor der schwierigen Aufgabe, die momentan wieder scheinbar unbezwingbaren Iberer zu besiegen. Das Kraken-Orakel ist sich zwar sicher, dass Deutschland den dritten Platz holt und Spanien den Cup erringt. (Sogar die spanische Presse nimmt davon Notiz! In Spanien wurde das Endspiel-Orakel sogar live übertragen und die spanischen Beobachter sangen "Campeones, Campeones", als sei das Finale schon gespielt!)

Damit scheint alles geklärt. Aber soll man wirklich einem glitschigen Kopffüßer die Entscheidung darüber überlassen, wer die Weltmeisterschaft gewinnt? Auch wenn der Oberhauser Krake während der WM 2010 mit seinen Tipps immer richtig lag - wenn man die ganze Sache mit dem Kraken-Orakel zu ernst nimmt, braucht man zum Spiel gar nicht mehr anzutreten. Das würde zunächst einmal sehr viel Geld sparen. Man braucht keine Stadien mehr, auch keine Verkehrsinfrastruktur: Es reicht einfach, sich alle vier Jahre vor dem Aquarium des Oberhauser Kraken zu versammeln - auch wenn es in vier Jahren nicht mehr Paul sein wird, denn Kraken haben nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von drei Jahren.

Vielleicht hat ja das deutsche Team vor zwei Tagen die Vorhersage des Kopffüßers zu ernst genommen, denn manche Prophezeiungen tendieren einfach dazu, sich selbst zu erfüllen. Gerade wenn das Selbstbewusstsein vor einem Duell mit einem Gegner, der keine offensichtlichen Schwächen aufzeigt, nicht allzu ausgeprägt ist, wischt manch einer die "Vorhersage" nicht einfach beiseite, sondern das Omen frisst sich im Hinterkopf möglicherweise fest und nagt. Ich hoffe, dass es den Holländern übermorgen am Sonntag nicht so ergeht!

Aber wie soll man die Spanier knacken? Der Schlüssel zum Erfolg der Spanier ist neben der guten Balltechnik vor allem das herausragende Positionsspiel. Es macht die Räume für den Gegner eng und schafft Anspielstationen für Pässe. Das als Tiki-Taka gelobte Kurzpassspiel halte ich persönlich eher für faulen Zauber, weil es eigentlich kaum Raumgewinn schafft.
Es hat allerdings den Zweck, den Gegner zu ermüden und den Ballbesitz zu erhalten. Ist der Gegner erst einmal müde gespielt, erwachsen für die Spanier schließlich Chancen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, dieser Taktik entgegenzutreten: Die eine lautet, einen Bus vor das Tor zu stellen. Das heißt: Alle Mann verteidigen, wenn es sein muss, alle auf der Torlinie. Das hat mehr oder weniger die Schweiz getan.

Die zweite Option wäre aus meiner Sicht die konsequente Manndeckung im Mittelfeld. Dass die Spanier dort gut besetzt sind, muss gar nicht mehr erwähnt werden. Das ist Allgemeingut. Aber diese Variante ist offenbar nicht mehr salonfähig. Das deutsche Team, das die Manndeckung länger als jede andere Mannschaft praktizierte (vielleicht mit Ausnahme der Griechen), griff gegen Spanien jedenfalls nicht zu diesem Mittel. Warum eigentlich?

Die Manndeckung ist eines von mehreren Werkzeugen, die sich im taktischen Instrumentarium von Fußballtrainern befinden. Sie wird von Spitzenmannschaften vor allem deswegen kaum mehr praktiziert, weil die Manndeckung das Umschalten von Abwehr auf Angriff erschwert. Nehmen wir an, ein rechter Verteidiger wird einem bestimmten Stürmer zugeordnet, der normalerweise auf dem linken Flügel seiner Mannschaft agiert. Um seinem direkten Gegenspieler zu entgehen, weicht der genannte Flügelstürmer in die Mitte oder auf seinen rechten Flügel aus (unser rechter Verteidiger wird somit gezwungen, seinem Gegenspieler zu folgen und ist nun auf "seinem" linken Flügel zu finden). Erobert nun die bisher verteidigende Mannschaft den Ball, dann findet der ballführende Spieler seinen Kameraden nicht mehr dort, wo er ihn erwartet, denn er ist ja seinem Gegenüber auf jenen Flügel gefolgt, auf den er gar nicht hingehört.

Dieser Nachteil der Manndeckung ist leicht einzusehen. Wenn es aber darum geht (und das muss gegen eine Mannschaft wie Spanien absolute Priorität haben), sie nicht zu ihrem Kurzpassspiel kommen zu lassen, dann gibt es kaum eine Alternative, als jedem spanischen Spieler auf den Füßen zu stehen. Auf diese Weise entfallen für die ballführenden Spieler der Spanier die möglichen Anspielstationen, sie müssen weitere Wege gehen und die Ordnung im Mittelfeld könnte dadurch aufgebrochen werden. In das Spiel kommt mehr Bewegung. Verfügt man vielleicht noch über schnelle Flügelspieler, dann sind durchaus auch Torchancen möglich.

Ich weiß nicht, ob diese Vorgehensweise jemals in der Praxis erwogen wurde. Fußball-Feingeister wie die Autoren der "Süddeutschen Zeitung" werden sich hier vermutlich schütteln, aber die verurteilen ja jede Aktion sofort als mittelalterlich oder als Gerumpel, wenn es um die Defensive geht. Da heißt es dann schon mal, Podolski habe "als mittelalterlicher Libero" gegen Ramos gerettet. Soll er es denn gar nicht tun, soll er lieber das Gegentor zulassen? Die Manndeckung hat gerade dann ihre Berechtigung, wenn man gegen ein Team antritt, das spielerisch-technisch als überlegen gilt. Auf dieses Werkzeug von vornherein zu verzichten, ja, es komplett aus dem taktischen Werkzeugkasten zu verbannen, ist ein bisschen arrogant. Wenn man eine absolute Dominanz der Spanier verhindern will, könnte sie durchaus ein wertvolles Mittel zum Zweck sein.

Mal sehen, ob die Holländer da weniger dogmatisch sind als Jogi Löw. Sie bezeichnen ihren Stil laut Nigel de Jong ja inzwischen als "deutscher als die Deutschen". Das kann zu Hoffnung Anlass geben...

Nachtrag: Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine. Siehe diesen Spiegel-Forenbeitrag: Guckst du!

WM-Blog: Hoffen auf Holland

Holland ist - noch vor England - der Lieblingsfeind deutscher Fußballfans. Ein Verhältnis, das auf Gegenseitigkeit beruht. 2002 sangen deutsche Fans schadenfroh "Ohne Holland fahr'n wir zur WM", als die niederländische Elftal in der Qualifikation scheiterte. Und die Holländer sind die ersten, die fröhlich das alte Lied "Schade Deutschland, alles ist vorbei" anstimmen, wenn die Deutschen vorzeitig ausscheiden. Interessant ist dabei, dass beide Spottlieder auf dieselbe Melodie gesungen werden. Es gibt also neben der herzlichen Abneigung wohl auch viele Gemeinsamkeiten.

Wahr ist ja, dass es zwischen beiden Ländern viele hochemotionale Fußballschlachten gab - allen voran das WM-Endspiel 1974, in dem die Krönung des "Totalen Fußballs" niederländischer Prägung stattfinden sollte und das schließlich die Deutschen - nicht zuletzt wegen des Heimvorteils und wegen Gerd Müller - gewannen. Dem stand das Hamburger EM-Halbfinale 1988 in nichts nach, in dem die holländischen Fans in der Überzahl waren. Unvergessen die Szene, in der sich Ronald Koeman mit dem Trikot von Olaf Thon den Hintern abwischte. Dann kamen die engen Duelle in der WM-Qualifikation 1990 und schließlich das Haß-Spiel im Achtelfinale der WM 1990, in dem es für Frank Rijkaard und Rudi Völler die rote Karte gab und in dem Jürgen Klinsmann das Spiel seines Lebens machte. 1992 trafen beide Teams in der Gruppenphase der EM wieder aufeinander, Holland gewann 3-1, aber da beide Mannschaften weiterkamen, fiel die deutsche Niederlage nicht so sehr ins Gewicht. 2004 gab es in Portugal bei der EM ein 1-1, aber die Rivalität war zum diesen Zeitpunkt schon ziemlich abgekühlt.

Holland trug den Deutschen einerseits das verlorene WM-Halbfinale von 1974 nach, andererseits überlagerte die Erinnerung an die deutsche Besatzung während des zweiten Weltkrieges lange die Duelle mit dem Nachbarn. Man war froh, wenn es gelang, dem scheinbar übermächtigen Nachbarn auf dem grünen Rasen ein Bein zu stellen.

Dazu kam - und das ist nicht zu vernachlässigen -, dass mit Holland und Deutschland auch zwei unterschiedliche Fußball-Philosophien aufeinandertrafen, nämlich auf der einen Seite der häufig nüchtern-ergebnisorientierte Zweckfußball deutscher Prägung und auf der anderen Seite der angriffsorientierte "Totale Fußball" von Johan Cruyff und seinen Epigonen - mit einer gewissen Neigung, in Schönheit zu sterben. Holland gewann dadurch die Fans für sich, Deutschland viele Titel.

Bei dieser WM 2010 hat sich das Bild in gewisser Weise gewendet: Deutschland hat gegen Australien, England und Argentinien herzerfrischenden Angriffsfußball gezeigt, Holland dagegen eher nüchtern und zweckgebunden gespielt. Verkehrte Welt! Die deutsche Truppe präsentiert sich als multikulturelles, fußballtechnisch fein ziseliertes Team, während Holland Fußball arbeitet - wenngleich sie mit Sneijder und Robben auch einige exquisite Künstler in ihren Reihen haben. Es ist kein Zufall, dass mit van Bommel, Robben, Mathijsen und Bouhlarouz vier zentrale Akteure der Niederländer in der Bundesliga spielen, Trainer Bert van Marwijk Bundesliga-Erfahrung hat und auch Bayern-Coach van Gaal aus Holland kommt. Die beiden Erzrivalen befruchten sich momentan gegenseitig mehr, als man es noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten hatte. Deutschland lernt von den Holländern Spielwitz, die Niederländer übernehmen die deutsche Disziplin. Und nicht zuletzt: Es ist einfach schön zu sehen, dass sich Leute wie van Bommel und Robben und viele andere holländische Profis in Deutschland wohl fühlen, so dass man die leidige Vergangenheit vielleicht doch irgendwann einmal ad acta legen kann.

Insofern halte ich im Finale zu den Niederländern (seit dem Halbfinal-Aus der Deutschen trage ich konsequent orange T-Shirts) und hoffe, dass sie eine Lücke bei den Spaniern sehen, die Jogi Löw und seine Mannen nicht gefunden haben. Ich war ja schon 2006 in Nürnberg bei der "Schlacht von Nürnberg" zwischen Holland und Portugal dabei und hielt damals zum ersten Mal in meinem Leben zu den Niederländern, denn die Portugiesen spielten damals einfach dreckig. Schwalbenkönig Cristiano Ronaldo tauchte so oft weg, dass man meinen konnte, er sei mit einem Schnorchel auf den grünen Rasen unterwegs.

In diesem Sinne: Hup, Holland, hup! Diesmal seid ihr die besseren Deutschen!
Haut die Spanier weg!

Donnerstag, 8. Juli 2010

WM-Blog: Weltmeister zu sein, ist kein Spaß:

Ich weiß, es ist ein schwacher Trost, aber: Sollte Spanien tatsächlich Weltmeister werden, dann - so zeigt die Erfahrung - werden sie in vier Jahren denselben uninspirierten Fußball zeigen wie alle Titelverteidiger und im Niemandsland, das zwischen Vorrunde und Viertelfinale liegt, ausscheiden.
Hier die Ergebnisse der Titelverteidiger der letzten 12 WMs:

1966 (Brasilien): Vorrunde
1970 (England): Viertelfinale
1974 (Brasilien): Zwischenrunde
1978 (Deutschland): Zwischenrunde
1982 (Argentinien): Zwischenrunde
1986 (Italien): Achtelfinale
1990 (Argentinien): Finale
1994 (Deutschland): Viertelfinale
1998 (Brasilien): Finale
2002 (Frankreich): Vorrunde
2006 (Brasilien): Viertelfinale
2010 (Italien): Vorrunde

- Nur zweimal (Italien 1938 und Brasilien 1962) konnte der Fußball-Weltmeister (der Herren, wohlgemerkt) seinen Titel erfolgreich verteidigen.

- Seit der letzten erfolgreichen Titelverteidigung 1962 konnten sich lediglich zwei amtierende Weltmeister unter den letzten Vier platzieren (Argentinien 1990 und Brasilien 1998).

- 1990 erreichte Titelträger Argentinien zwar das Finale, kam aber in der Vorrunde nur deshalb weiter, weil im 24er-Teilnehmerfeld auch die vier besten Gruppendritten weiterkommen konnten. Im Viertelfinale (gegen Jugoslawien) und Halbfinale (gegen Italien) kam Argentinien nur per Elfmeterschießen weiter.

- 1998 erreichte Brasilien zwar das Finale, unterlag aber im Endspiel deutlich mit 3:0 dem Gastgeber Frankreich.

- 2002 schied der Titelträger Frankreich in der Vorrunde aus, ohne ein einziges Tor erzielt zu haben.

- 2010 erzielte der Titelträger Italien gerade mal zwei Unentschieden in der Vorrunde und flog durch eine Niederlage gegen den WM-Neuling Slowakei aus dem Wettbewerb.

Die Fakten lügen nicht: Wer auch immer in Johannesburg den Titel holt, muss sich auf quälende Fußball-Niederungen einstellen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 83 Prozent (legt man die Ergebnisse seit 1966 zugrunde) ist spätestens im Viertelfinale Schluss. Freut euch, solange ihr könnt, liebe Spanier (oder Niederländer): Ab dem Zeitpunkt, zu dem ihr am Sonntag den Pokal in die Höhe stemmt, geht's bergab.

WM-Blog: Lasst Hrubesch ran!

Noch ist Joachim Löw ja Trainer der deutschen Fußball-Auswahl. Seine Zukunft ist aber seit dem Vertragsdebakel vom Frühjahr ungewiss. Ich kann mir zwar vorstellen, dass er vom DFB nach der WM ein Angebot bekommt, das er nicht ablehnen kann. Dennoch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass er die Brocken trotzdem hinschmeißt und seinen Vertrag nicht verlängert. Er wäre dann zusammen mit Michael Ballack einer der großen Unvollendeten im DFB.

Was dann? Que faire? Matthias Sammer wird für diesen Fall als der große Unvermeidliche genannt. Als Sportdirektor des DFB hätte er vermutlich den ersten Zugriff auf das Amt des Bundestrainers. Als jüngster Meistertrainer der Bundesliga wäre er ohne Zweifel qualifiziert, zudem weiß er als Mitglied der Europameistermannschaft von 1996, wie man ein Turnier gewinnt. Allerdings gibt es Stimmen, die Sammer als menschlich nicht ganz einfach einschätzen. Wie er mit der jungen deutschen Nationalmannschaft klarkäme, bleibt daher eine offene Frage.

Als Alternative bietet sich Hotte Hrubesch an. Seit 2000 in Diensten des DFB, hat er maßgeblich zu den Erfolgen der DFB-Jugendmannschaften beigetragen. Auch er besitzt das Sieger-Gen, 1980 gewann die DFB-Auswahl dank seiner Tore die Europameisterschaft in Rom. Die Erfolge der Jugendmannschaften belegen, dass er einen guten Draht zu den jungen Spielern hat (Neuer, Beck, J. Boateng, Höwedes, Hummels, Aogo, Khedira und Özil errangen unter seiner Leitung den U-21-Titel) und diesen auch in der Nationalmannschaft einsetzen könnte.

Für Hrubesch spräche nicht zuletzt, dass er den Jungs wieder beibringen könnte, wie man aus einer Ecke ein Tor macht. Schließlich köpfte er die deutsche Elf 1980 nach einer Ecke von Rummenigge zum Europameistertitel. Dieses Wissen scheint inzwischen in Deutschland verlorengegangen zu sein, während man in Spanien noch weiß, wie das geht (fragen Sie mal Herrn Carles Puyol).

Als Assistenztrainer schlage ich Manni Kaltz vor, den besten rechten Verteidiger, den wir je hatten (sorry, Philipp Lahm). Das Erfolgsduo "Manni Bananenflanke, ich Tor" könnte somit das deutsche Team wieder auf Titelkurs bringen...

Wenn Löw tatsächlich nicht weitermachen sollte, wäre also keine "Trainerfindungskommission" notwendig - ein kompetenter Nachfolger ist im eigenen Haus vorhanden.

WM-Blog: Von den 86ern und 90ern lernen heißt siegen lernen

So, wir haben eine Nacht über die Halbfinal-Niederlage der deutschen Mannschaft geschlafen. Das Ergebnis ist genauso unerfreulich wie vorher, aber man sieht doch ein bisschen klarer. Landauf, landab verweisen die Gazetten darauf, dass dieser deutschen Mannschaft die Zukunft gehöre und dass die Zeit für sie arbeite. Mag sein, dass die Generation der Neuers, der Müllers, der Özils, der Khediras, der Kroos, der Marins zusammen mit den ebenfalls noch sehr jungen Leadern Lahm und Schweinsteiger noch nicht an ihrem Zenit angekommen ist. Doch das nagende Gefühl lässt sich nicht abschütteln: Jetzt (genauer gesagt, gestern) war die Chance da, es allen zu zeigen, und am Ende stand - wie schon im EM-Finale 2008 - ein ernüchterndes 0-1.

Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft und der Trainerstab - und genauso die Fans - noch einige Zeit an diesem Halbfinale gegen Spanien zu kauen haben. Denn die unangenehme Frage lautet: Wo war die Unbekümmertheit, mit der das junge deutsche Team Gegner wie England und Argentinien niederspielte? Lag es nur daran, dass Müller gesperrt war (eine Parallele zum gesperrten Frings im WM-Halbfinale 2006)? Und, daran anschließend: Mit welchen Mitteln kann eine deutsche Mannschaft überhaupt gegen einen Gegner bestehen, der über ein herausragendes Positionsspiel verfügt, pass- und ballsicher ist und - wie im EM-Finale 2008 - ein unsichtbares Netz über den Platz spannt, in dem sich die deutsche Vorwärtsbewegung nur allzuoft verheddert?

Seit der EM 2008 ist Spanien der Goldstandard im internationalen Fußball. Das müssen wir anerkennen, und Spanien ist dieser Favoritenrolle trotz der Auftaktniederlage gegen die Schweiz gerecht geworden. Wenn der deutsche Fußball wieder Titel erringen will - und die Parole vom 4. Stern für Deutschland klingt uns ja immer noch in den Ohren - dann muss man sich überlegen, wie man so eine Mannschaft knacken kann. Denn früher oder später wird es wieder zu einem Aufeinandertreffen kommen, falls Spanien seine Ausnahmestellung bestätigen sollte. Und dann sind Lösungen gefragt, die überzeugender sind als die, die wir gestern gesehen haben.

Es war gestern oft von Hemmungen die Rede, vom mangelnden Mut, vom Respekt gegenüber der Übermannschaft Spanien. Ich kenne so was auch aus meinem eigenen Job: Die Angst vor dem Scheitern lähmt oft die eigene Initiative. Ich habe also insofern vollstes Verständnis für die Jungs. Ich habe aber nicht den Anspruch, Weltmeister zu sein oder werden zu wollen.
Wer also vom "4. Stern" spricht, der muss diese Hemmungen irgendwie ausblenden können, sonst bleibt am Ende immer die Trostrunde übrig, die Partie um den 3. Platz, oder wie die Autoren von "11Freunde" so richtig formulierten, das Pfannenset der WM.

Und gerade da muss ich wieder auf die deutsche Mannschaft zurückkommen, die 1986 in Mexiko Zweiter wurde - es war die Mannschaft und die WM, die mir am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist. Sie war mit einem grottigen 1-0 gegen Marokko im Achtelfinale und über Elfmeterschießen gegen Mexiko im Viertelfinale ins Halbfinale eingezogen. Der Gegner hieß Frankreich, ebenfalls zwei Jahre zuvor Europameister geworden und mit dem Traum-Mittelfeld um Platini, Giresse, Tigana und Fernandez der Goldstandard im internationalen Fußball. Zugegeben, Frankreich hatte auch echte Schwächen - der Torwart Joel Bats gehörte dazu, der schon in der neunten Minute einen Brehme-Freistoß unter dem Bauch hindurchkullern ließ (beim Spanier Casillas kann ich mir das nicht so recht vorstellen), aber in den Augen vieler damaliger Experten waren die Deutschen chancenlos. Die 86er glaubten trotzdem an ihre Chance.

Der Fußball dieser Zeit - der damalige Teamchef Beckenbauer brachte es fertig, zeitweise mit zwei Liberos zu spielen, einer vor, einer hinter der Abwehr - ist heute ja als "Rumpelfußball" verpönt. Allerdings habe ich mir mehr als einmal bei der Südafrika-WM gewünscht, unsere Jungs hätten die Nervenstärke und Entschlossenheit dieser 86er-Truppe. Bei denen gab es einigen Zoff hinter den Kulissen - die Münchner und Kölner waren einander nicht grün, und dann gab es noch die "Suppenkasper-Affäre" um Uli Stein, aber sie waren außerordentlich schwer zu schlagen, was selbst die Argentinier um Maradona im Finale erfahren mussten.

Bei allen Fußball-Reformen, die Klinsmann und Löw ab 2004 positiv umgesetzt haben, ist aus meiner Sicht diese sehr typische deutsche Eigenschaft etwas verloren gegangen. 1986 war es für alle schwer, gegen Deutschland zu spielen: Die Mannschaft konnte auch nach einem Rückstand zurückkommen. Heute ist es dagegen sehr oft so, dass das Schicksal der deutschen Mannschaft mehr oder weniger besiegelt ist, wenn sie einmal in Rückstand geraten ist.

Ein bisschen schräg finde ich auch, dass sowohl Löw als auch sein Vorgänger Klinsmann 2006 und 2010 im wesentlichen an ein und derselben Formation festhielten und nur dann umstellten, wenn Verletzungen oder Sperren einzelner Spieler dies erforderten (mit einer Ausnahme: Boateng für Badstuber nach dem verlorenen Serbien-Spiel). 1990 baute Beckenbauer sein Team dagegen gleich zweimal grundlegend um, obwohl die Ergebnisse dies nicht erfordert hätten: Einmal fürs Achtelfinale gegen die Niederlande (da fiel Uwe Bein heraus und Jürgen Kohler wurde als Feuerwehrmann gegen van Basten gebraucht) und das zweite Mal vor dem Halbfinale gegen England (da kamen Olaf Thon und Thomas Häßler in die Mannschaft, weil Beckenbauer gegen die kopfballstarken Briten die Bälle flach halten wollte).

Ich verstehe daher nicht, warum weder Löw vor dem Spiel gegen Spanien noch Klinsmann vor dem Spiel gegen Italien versucht hat, die Mannschaft stärker umzustellen. Klar, insbesondere Löw wäre nach den beiden Vier-Tore-Erfolgen gegen England und Argentinien in starke Erklärungsnöte geraten. Aber warum er Jansen und Kroos nicht von Anfang an spielen ließ, das erschließt sich mir nicht - schließlich wurden beide recht früh in der zweiten Hälfte eingewechselt. Mir scheint, dass er diese Lösung schon vor dem Spiel erwogen hatte, aber vielleicht hatte er sie als zu radikal verworfen und erst darauf zurückgegriffen, als sein Team in der ersten Halbzeit nicht den nötigen Druck erzeugen konnte.

Vielleicht ist es aber auch Schicksal, dass es erst 2014 soweit sein soll. Vielleicht war 1990 einfach einmal außer der Reihe und wir sind erst wieder dran, wenn die Jahreszahl die Ziffer 4 enthält (wie 1954 und 1974).

Bis dahin würde ich, wenn ich der DFB wäre, mindestens einmal im Jahr ein Testspiel gegen die Spanier ansetzen. Und wer weiß, vielleicht findet Löw (oder wer auch immer) irgendwann das Erfolgsrezept.

Mittwoch, 7. Juli 2010

WM-Blog: Geschichte wiederholt sich doch...

... vor vier Jahren war es Italien, jetzt erwies sich zum zweiten Mal nach der EM 2008 Spanien als unüberwindlicher Stolperstein für das deutsche Team. Und wieder bleibt den deutschen Recken nur das undankbare Spiel um Platz drei. Vielleicht war mehr drin, aber Spanien zeigte seine Klasse, und das muss man als Fußballfreund einfach anerkennen.

Trotzdem: Ein großartiges Turnier der deutschen Mannschaft, die vor allem mit ihren Spielen gegen England und Argentinien unglaublich viel Sympathie und Anerkennung gewonnen hat. Vielleicht war gerade in der ersten Hälfte der Respekt vor dem Europameister zu groß, aber darüber zu sprechen ist müßig. Das mag jetzt ein schwacher Trost sein, aber vielleicht - oder vielmehr ganz sicher - wird das Team an der Niederlage wachsen, daraus Lehren ziehen und noch besser werden.

In diesem Sinne: Auf ein Neues!

WM-Blog: Serrano-Schinken zum Frühstück

Wer diesen Blog von Beginn der WM an gelesen hat, könnte möglicherweise der Meinung sein, dass wir (die Verfasser) der deutschen Nationalmannschaft den immerhin noch möglichen vierten Stern nicht gönnen beziehungsweise sie und ihre Chancen herunterschreiben, wo es nur geht. Nichts liegt uns ferner! Natürlich wäre ein Vorrunden-Aus tatsächlich eine geeignete Startrampe gewesen, um Nivea-Jogi Löws Kopf zu fordern und sich für einen Trainer-Schrat wie Peter Neururer (Onkelchen sagt, er hat eine Schwäche für schratige Trainer) stark zu machen.

Den Begriff "schratiger Trainer" zu definieren, ist nicht ganz leicht. Vielleicht kann eine Analogie hier helfen: Ein schratiger Trainer sollte bestenfalls als Werbe-Ikone für Bier geeignet sein, keinesfalls für Körperpflege-Produkte oder Investmentfonds. Ein Trainer vom alten Schlag halt, kauzig, vielleicht auch wortkarg, aber ein Philosoph des grünen Rasens. Einer, der ohne einen Stab von Medienberatern auskommt. Einer, bei dem die Vorstellung nicht völlig abwegig ist, dass er in der Vereinsgaststätte mit den Treuesten der Treuen eine Rund Skat klopft.

Manche schratigen Trainer sind leider Alkoholiker und Kettenraucher gewesen, gottseidank nicht alle (Legendär ist zum Beispiel Happels Ausspruch "Burschen, sauft's weiter", als bei einer seiner Trainerstationen ein Team der Trinker ein Trainingsspiel gegen die Abstinenzler gewann). Zwingend erforderlich für einen schratigen Trainer ist allerdings, dass er in der Vereinsgaststätte nicht wie ein Fremdkörper wirkt (und ich meine Vereinsgaststätten, wie man sie noch in den achtziger Jahren kannte). Ein schratiger Trainer kann daher kein Totalabstinenzler sein.

Dazu kommt ein gewisser Hang zur Konditionsbolzerei, was aber nicht heißt, dass der schratige Trainer den feineren Aspekten des Fußballspiels gänzlich abhold sein muss. Bereitschaft zur Improvisation und auch zu ungewöhnlichen Taktiken ("Mach et, Otze!") sowie eine gewisse Medienresistenz und die Fähigkeit zu knackigen One-Linern (wie sagte Peter Neururer, als er - glaube ich - Schalke trainierte, die damals das Image einer Fahrstuhlmannschaft hatten: "Gegen den FC Bayern werden wir nicht hoch gewinnen") machen den Trainer-Schrat perfekt.

Der bereits genannte Peter Neururer wäre wie gesagt eine aktuelle Idealbesetzung für dieses Profil, alternativ fallen mir aus der Geschichte noch Namen wie Fiffi Kronsbein, Branko Zebec, Aleksandar Ristic, Rolf Schafstall, Kuno Klötzer, Klaus Toppmöller oder auch Ernst Happel ein (wobei Ernst Happel eher dem Weine und nicht dem Biere zugeneigt war). Man möge mir verzeihen, dass diese Liste leicht HSV-nostalgielastig ist, aber auch der späte Lattek und ganz gewiss auch Christoph Daum, eventuell auch Daums zeitweiliger Vertreter Erich Rutemöller erfüllen zumindest in Teilen das Anforderungsprofil. Früher fand man schratige Trainer in allen Bereichen der Bundesliga, heute leider eher in den unteren Regionen.

Jogi Löw ist leider kein Trainer-Schrat, er ist ein vorbildlicher Übungsleiter, dem ich - und das möchte ich hier betonen - den WM-Titel gönne. So wie dem ganzen Team. Es ist nur der reine Aberglaube, der mich dazu zwingt, das deutsche Team und dessen Chancen so weit in den Keller zu schreiben, wie es nur geht.

Es ist eine Erfahrung aus meinem beruflichen Leben: Wenn man glaubt, man säße fest im Sattel, man hätte seine Position gefunden, es könne einen nichts mehr überraschen, dann schickt einem plötzlich das Leben eine Grätsche, und man küsst die Grasnarbe. Und insofern möchte ich selbst den Mahner geben, der mit seinen Kassandrarufen den Turnier-GAU herbeiunkt, um dann um so mehr überrascht zu sein ob der überzeugenden Auftritte des deutschen Teams.

Bei aller Freude über das bisherige Turnier ist das spanische Team vermutlich doch der härteste Brocken, den es bei dieser WM gibt, und Schweinsteiger, Löw & Co. werden hoffentlich ganz genau wissen, wie sie die rote Flut stoppen können. Denn keine andere Mannschaft versteht es so gut, durch das Kurzpassspiel im Mittelfeld (es gibt Leute, die das Ganze ehrfurchtsvoll Tiki-Taka nennen, aber ich nenne es Ballgeschiebe) das Spiel zu verschleppen, bis sich dann entweder aufgrund der Langeweile, die sich auf seiten des Gegners einstellt, oder aufgrund eines Geistesblitzes von Villa oder Torres dann doch eine gefährliche Situation ergibt. Unsere Jungs haben das im EM-Finale 2008 erlebt: Aufgrund der Ballsicherheit der Spanier ist es sehr schwer für den Gegner, gegen die Furia Roja ins Spiel zu finden. Es wird also ein hartes Stück Arbeit. Sie haben aber auch Schwächen. Diego Maradona sagte nach der Auftaktniederlage der Spanier gegen die Schweiz sinngemäß: "Wenn die Tore an den Seitenlinien stünden, hätten sie 10-1 gewonnen!" Das heißt übersetzt: Ballbesitz allein ist kein Erfolgsgarant.

Um unsere Jungs zu unterstützen, habe ich deshalb heute morgen spanischen Serrano-Schinken verdrückt (lecker) und ich werde das Ritual einhalten, das ich bisher vor jedem der KO-Spiele des deutschen Teams eingehalten habe. Am Nachmittag gibt es mindestens eine Folge "Fawlty Towers" von der DVD (das habe ich vor dem England-Spiel gemacht, weil ich so ein schlechtes Gefühl hatte und dringend Lachmuskeltraining brauchte) und dann schaue ich mir das Spiel im Trikot des GEGNERS an. Das hat folgenden Sinn: Ich will meine eigenen negativen Emotionen auf den Gegner übertragen. Bis jetzt hat es gut funktioniert. Ich muss mir heute also unbedingt noch ein Spanien-Trikot besorgen. Das ist auch der Grund, warum ich mich des Public-Viewing-Unsinns enthalte. Man stelle sich vor, ich wäre im Argentinien-Trikot zum Gruppenguck gelatscht - das hätte Prügel gegeben! Also in diesem Sinne: Ich wünsche uns allen heute abend ein gutes Spiel und seid nicht zu enttäuscht, falls es nicht klappen sollte!

In diesem Fall dürfen wir nämlich im Spiel um Platz 3 den alten Klassiker Deutschland - Uruguay (das war schon 1970 das "kleine Finale") wieder aufwärmen. Das ging damals 1-0 für die unsern aus, Torschütze war damals der kölsche Jung Overath. Vielleicht trifft ja diesmal Poldi (auch ein Kölner).

Dienstag, 6. Juli 2010

WM-Blog: Spanien ist endgültig Endstation!

Tja, auch bei unserer letzten Prognose lagen wir daneben. Deutschland hat das Halbfinale bei der Fußball-WM erreicht, und das noch mit einem grandiosen 4-0 gegen den vormaligen Mitfavoriten Argentinien. Mein missratener Sohn Gianni Dona, der sich ja für die Wiedergeburt von Diego Maradona hält (ungeachtet der Tatsache, dass Maradona noch lebt), ist seitdem nicht mehr ansprechbar und hat sich in sein Kinderzimmer zurückgezogen (wahrscheinlich säuft er die ganze Zeit diesen entsetzlichen Mate-Tee, aber genau weiß ich's nicht) und hört die ganze Zeit Volksmusik.

Wir hatten unseren Tipp für Argentinien ja auf der Vermutung aufgebaut, dass sich die Argies im Vergleich zu den vorherigen Spielen noch steigern würden. Das haben die Deutschen sehr effektiv verhindert, was zu dem bekannten 4-0 führte.

Nun also gegen Spanien. Das wird ein schweres Spiel; wahrscheinlich ist nämlich Spanien der kompletteste und schwerste Gegner, den man bei dieser WM haben kann. Im Gegensatz zu Argentinien ist Spanien nämlich nicht so sehr von der Kreativität eines einzelnen Spielers abhängig. Schwer wiegt auch, dass Spanien in der Defensive keine nennenswerten Schwächen aufweist. Vor zwei Jahren im EM-Finale 2008 hat Spanien den Deutschen ja die Grenzen aufgezeigt, das Zusammenspiel der Deutschen wurde von den Iberern damals sehr effektiv unterbunden, die Aktionen der DFB-Elf verhedderten sich Mal um Mal in dem unsichtbaren Netz, das die Spanier über das Feld gespannt hatten.

Ganz so schlimm sollte es diesmal nicht kommen, aber wer von einem Erfolg in ähnlicher Höhe wie gegen England oder Argentinien träumt, sollte seine Erwartungen dringend herunterschrauben. Sonst ist ein bitteres Erwachen programmiert.

Wir geben heute keinen Tipp ab - Onkelchen meint, dass das Elfmeterschießen-Risiko beim Spiel gegen Spanien extrem hoch sein könnte und traut sich nicht, einen Tipp abzugeben. Ich persönlich übergebe hier das Wort an den Kraken Paul, den Weisesten der Weisen im Oberhausener Aquarium. Er hatte mit seinen Prognosen bisher immer recht und diesmal tippt er auf einen Erfolg für SPANIEN! Guckst du:



Ganz schwer wird es für die deutsche Mannschaft auch deshalb, weil Goalgetter Thomas Müller wegen einer gelben Karte gesperrt ist. Aber Hoffnung naht! Als Ersatz wird ja unter anderem Pjotr Trochowski gehandelt. Onkelchen hat ja schon mal vorgespielt - und hier gibt Trochowski die Flanke zum Führungstor (Kopfball Podolski! Sieht man auch nicht alle Tage!!).



Es wird aber vermutlich nicht reichen, unken wir, und deshalb wird Spanien wohl die Endstation der deutschen WM-Ambitionen werden.

Samstag, 3. Juli 2010

WM-Blog: Deutschland hat die Chance eines Schneeballs in der Hölle!

Deutliche Worte hat hier mein missratener Sohn Gianni Dona über die Aussichten der deutschen Nationalmannschaft im heute anstehenden Viertelfinalkrimi gegen Argentinien gefunden. Seiner Ansicht nach wird das WM-Turnier mit einer Neuauflage des allerersten WM-Finals von 1930 enden, nämlich mit dem Nachbarschaftsduell Argentinien-Uruguay.
Die Urus haben sich gestern gegen Ghana als hervorragende Taschenspieler präsentiert, nämlich indem sie gezeigt haben, dass ein Handspiel auf der Torlinie in der allerletzten Sekunde der Verlängerung doch noch spielentscheidend sein kann. Denn: Hätte der Uru Luis Suarez nicht im Stile eines Volleyballers den Ball von der Linie gepritscht und damit einen Elfmeter und die rote Karte in Kauf genommen, dann wäre der Ball drin und Ghana weiter gewesen. So aber verschoss Asamoah Gyan den fälligen Strafstoß, das Elfmeterschießen folgte, das Uruguay für sich entschied. Die Uruguayer erwiesen sich somit als Zocker erster Güte, Luis Suarez muss sich leider in Zukunft als "Taschendieb von Johannesburg" betiteln lassen. Er wird's verkraften.
Über die Chancen der deutschen Mannschaft brauchen wir kein Wort zu verlieren, die individuelle Klasse der Argentinier ist so hoch, dass sich niemand heute nachmittag dem gesundheitlichen Risiko aussetzen muss, in praller Hitze vor einer Riesenleinwand stehen und gleichzeitig einen Hitzschlag (fast hätte ich Hitzfeld gesagt)und einen Herzinfarkt zu erleiden, wenn Higuain, Tevez, Messi und Co. die deutsche Hintermannschaft in einen Schweizer Käse verwandeln. Nicht falsch verstehen: Die Jungs von Jogi Löw haben sich gut präsentiert, ihnen gehört die Zukunft, aber gegen die Argies reicht's einfach noch nicht. Sagt auch mein Sohn Gianni Dona, den wir hier in voller Aktion sehen:



Wir melden uns dann wieder zum Halbfinale Argentinien - Spanien (oder Paraguay).

Freitag, 2. Juli 2010

WM-Blog: Diplomatische Verwicklungen...

...hat ja der Versuch von Bastian Schweinsteiger ausgelöst, die Mentalität des Argentiniers an sich zu erklären. Dem Vernehmen nach wurde sogar der deutsche Geschäftsträger in Buenos Aires zum Rapport einbestellt.
Klasse hat, wie ich finde, Diego Maradona darauf reagiert. Er ließ Basti lediglich ausrichten: "Was ist los, bist du nervös?" Bastian mag zwar mit seinen Anmerkungen über die zum Teil recht unsportlichen Allüren argentinischer Fußballer recht haben, zu einem Urteil über den Argentinier an sich befähigt dies nicht.
Allerdings sind die Argies als Volk im Rest Lateinamerikas nicht unbedingt beliebt. Das haben sie mit den Deutschen in Europa gemeinsam...

Donnerstag, 1. Juli 2010

WM-Blog: Warum Deutschland gegen Argentinien gewinnt - oder auch nicht.

Ein Streitgespräch der anderen Art.

Tja – wir haben ein paar Tage nichts von uns hören lassen, weil wir noch so geplättet vom letzten Spiel der deutschen Mannschaft waren. Das hat unsere Prognosen total über den Haufen geworfen. Onkelchens Geburtstag, der 27. Juni, bleibt also auf ewig mit einem historischen Debakel verbunden – allerdings auf der englischen Seite. Mann, das war ein Spiel, das wirklich alles hatte inklusive eines glasklaren Tores für die Engländer, das nicht gegeben wurde. Damit ist unsere allzu durchsichtige Absicht, ein Vorrunden- beziehungsweise Achtelfinal-Aus der deutschen Mannschaft herbeizuschreiben, um dann durch öffentlichen Druck Peter Neururer als Bundestrainer zu installieren, so was von in die Hose gegangen, und wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass sich die deutsche Mannschaft – sofern sie Argentinien schlagen sollte – zu einem echten Titelfavoriten mausert. Was sagt ihr dazu?

Gianni Dona: Argentinien wird gewinnen und schließlich den Weltmeistertitel holen. Diego macht das schon. Ich spüre das.

Argentinien und Deutschland trafen vor vier Jahren schon einmal im WM-Viertelfinale aufeinander, damals gab es ein 1:1 und anschließend Elfmeterschießen, das Deutschland für dich entschied. Wird es diesmal ähnlich laufen?

Onkelchen: Naja, diese WM hat ja schon so viele Prognosen Lügen gestraft – zum Beispiel war ich nach den ersten zwei Unentschieden immer noch felsenfest davon überzeugt, das Italien ein Topfavorit auf den Titel sei. Falsch gedacht. Wenn wir uns dieser Frage nähern, dann möchte ich hier einen ketzerischen Gedanken loswerden. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland vor vier Jahren nur dank des Heimvorteils und dank einer unglücklichen Auswechslung des argentinischen Trainers Pekerman, der Riquelme herausgenommen hat, weitergekommen ist.

Gianni Dona: Das sehe ich auch so.

Onkelchen: Maradona ist als Trainer zwar eher als Dilettant einzustufen, aber diesen Fehler wird er nicht machen. Er wird zum Beispiel Messi nicht vom Feld nehmen, solange die Partie nicht wirklich entschieden ist – es sei denn, Messi verletzt sich.

Gianni Dona: Einspruch: Diego ist der größte Trainer aller Zeiten!

Onkelchen: Danke für diesen Einwurf. Bleiben wir doch sachlich – Deutschland hat diesmal keinen Heimvorteil und selbst der Trainer-Anfänger Diego wird diesen eklatanten Fehler seines Vor-Vorgängers Pekerman nicht machen. Dennoch hat Deutschland Chancen, denn ich denke, Argentinien steht unter einem größeren Druck als die Deutschen – und die Deutschen sind besser als vor vier Jahren, vor allem spielerisch. Argentinien dagegen hat ohne Zweifel die beste Offensive aller WM-Teilnehmer, aber die Hintermannschaft ist wacklig.

Gianni Dona: Das trifft auch auf die deutsche Mannschaft zu. Wenn man sich ansieht, welche Schnitzer sich Per Mertesacker geleistet hat…

Onkelchen: Kein Widerspruch – aber Demichelis war auch nicht immer so sattelfest, wie man es sich bei einem WM-Aspiranten wünscht. Vor vier Jahren war das Verhältnis Abwehr zu Angriff bei den Argentiniern ausgeglichener. Meine ich zumindest. In den bisherigen vier Spielen wurden die Argentinier hinten nicht unbedingt so stark gefordert, weil die Gegner nicht so sehr stark waren und weil sie ohnehin ihr Heil im Angriff gesucht haben. Die deutschen Gegner waren schwerer – das sieht man schon daran, dass beide Mannschaften, die aus der Gruppe D ins Achtelfinale aufgestiegen sind, sich noch im Wettbewerb befinden. Deutschland und Ghana sind noch dabei.

Gianni Dona: Das mag stimmen, aber sagt über das Spiel der Deutschen gegen die Argentinier wenig aus.

Onkelchen: Klar, jedes Spiel hat seine eigenen Gesetze – fünf Euro fürs Phrasenschwein – aber was ich sagen will, ist, dass Deutschland mit der Empfehlung kommt, schon einen ganz großen Namen des Weltfußballs weggehauen zu haben. Klar und simpel weggehauen. 4-1, OK, zählen wir das nicht gegebene Tor, dann ist es ein 4-2. Ich denke, das hat die Argentinier und Diego schon ein bisschen zum Grübeln gebracht. Für mich ist Deutschland leichter Außenseiter, wenn ich die Chancen der Mannschaft beziffern wollte, würde ich sagen: 45 zu 55, aber Deutschland ist beileibe nicht chancenlos. Damit Deutschland gewinnen kann, muss natürlich eine Menge passieren. Man muss sich eine Lösung einfallen lassen, wie man die Kreise von Messi auf möglichst faire Weise stören kann. Und Argentinien ist ja auch nicht nur Messi, die Stürmer wie Higuain, Tevez und Milito sind international erste Sahne. Es könnte passieren, dass Deutschland in Rückstand gerät, aber die deutsche Mannschaft ist damit auch schon im Serbien-Spiel sehr gut umgegangen. Andererseits hatte Mexiko im Achtelfinale gegen Argentinien durchaus Chancen, bis dann eben das irreguläre Tor fiel. Es ist den Mexikanern nicht gelungen, Profit aus den vorhandenen Chancen zu schlagen. Das muss die deutsche Mannschaft besser machen, dann hat sie eine reelle Chance.

Gianni Dona: Diese Rumpeltruppe?

Onkelchen: Naja, selbst Du als Wiedergeburt des argentinischen Fußballgenies, das aber noch lebt und derzeit die argentinische Nationalmannschaft trainiert, musst zugeben, dass 95 Prozent aller Spiele Rumpelfußball sind – ich bevorzuge den Ausdruck Gebolze. Irgendjemand haut den Ball nach vorne, in der Hoffnung, dass jemand ihn erläuft. Argentinien wird einige Fehler nicht machen, die den Engländern passiert sind, man muss sich da das 1-0 durch Klose anschauen, das war wirklich zum Piepen. Aber andererseits: Wenn Klose körperlich und mental fit ist, kann er einer der tödlichsten Stürmer sein, die es auf dem Globus gibt. Bastian Schweinsteiger ist wirklich in eine Führungsrolle hineingewachsen, die man dem einstigen Bruder Leichtfuß noch vor einem Jahr nicht zugetraut hätte. Mesut Özil ist ein echter Spielmacher – er ist kein Messi, dazu fehlt ihm international oft (noch!) die Torgefährlichkeit. Und Thomas Müller trägt seinen Namen und die 13 völlig zu Recht. Diese Leute sind in dieser WM so extrem mit ihren Aufgaben gewachsen, wie man sich es überhaupt nicht erhoffen konnte. Deshalb bin ich mir sicher, dass sie auch gegen Argentinien bestehen können und eine Chance haben. Einen Tipp traue ich mir nicht abzugeben – Argentinien ist aus meiner Sicht Favorit, aber die Deutschen werden auch ihre Chance haben. Ach was, jetzt tippe ich doch. 2-1 für Deutschland. Und wenn Deutschland weiterkommt, dann kommen sie auch ins Finale.

Gianni Dona: Ich sage 3-1 für Argentinien. Diego „D10s“ wird Weltmeister!

Sonntag, 27. Juni 2010

WM-Blog: Ooooh, da strafen die uns so Lügen!

Sorry. Wir haben einige Tage Funkstille bewahrt, weil wir es echt erst einmal verkraften mussten, dass unsere todsichere Prognose vom Vorrunden-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht eingetreten ist. Na ja. Macht nichts. Fliegen sie eben heute gegen England raus.
Nur Onkelchen ist aus unserer Rausflieg-Front ausgeschert, weil er heute Geburtstag hat und er nicht will, dass sein Geburtstag auf ewig mit einem historischen Fußball-Debakel verbunden ist. Da muss er durch! Happy Birthday und so weiter...

Mittwoch, 23. Juni 2010

WM-Blog: Lasst uns niedersitzen zu Trauermären von der Könige Tod

- das deutsche Vorrunden-Aus, messerscharf analysiert

Liebe Leser, was ihr hier lest, ist ein ungeheuerliches Experiment. Wir sitzen hier als Expertenrunde zusammen und analysieren das deutsche WM-Aus – 24 Stunden, bevor die deutsche Mannschaft überhaupt ausgeschieden ist. Wir haben natürlich intensiv darüber diskutiert, ob wir diesen Versuch wagen wollen – ob wir nach den Gründen für das deutsche Ausscheiden suchen wollen, bevor dieses Ereignis überhaupt eintritt. Da wir das WM-Vorrundenaus des deutschen Teams aber als gegebene und unvermeidbare Tatsache ansehen, haben wir uns dafür entschieden. Wir gehen auch gleich in medias res. Meine Diskussionspartner sind mein missratener Sohn Gianni Dona (GD) und Onkelchen. Hallo.

GD + Onkelchen: Hallo.

Tja, mistige Sache, dieses Vorrunden-Aus. Das schmerzt gewaltig. Woran lag’s?

GD: Man muss akzeptieren, dass das Turnier für diese junge Mannschaft mindestens ein Jahr zu früh kam. Sie hat ohne Zweifel Zukunft und Potenzial – aber sie war einfach den Anforderungen, die ein WM-Turnier stellt, noch nicht gewachsen. In zwei Jahren bei der EM wird das ganz anders aussehen, aber dieses Jahr hat es noch nicht gereicht.

Onkelchen: Ich denke, die Mannschaft war nicht gut ausbalanciert. Wirklich große Teams sind immer eine Mischung zwischen jung und alt, spielerischen und kämpferischen Persönlichkeiten. Bei diesem Team neigte sich die Waagschale zu sehr in Richtung der Jugend und des spielerischen Elements. Das ist gut für Teenie-Magazine, aber Turniere gewinnt man nicht damit.

GD: Es ist immer auch ein bisschen Pech dabei. Das Serbien-Spiel…

Onkelchen: … ging auch deshalb verloren, weil den Jungs der Auftaktsieg gegen Australien zu Kopf gestiegen ist. Zumindest ein bisschen. Die Serben spielten anders, standen enger, unsere Jungs kamen damit nicht zurecht. Dann kam die Gelb-Rote gegen Klose, die Orientierung ging kurze Zeit verloren, es stand 0-1. Khedira schoß noch vor der Pause an die Latte, dann vergab insbesondere Podolski reihenweise gute Möglichkeiten und schließlich noch den Elfmeter. Letztlich wechselte Löw noch Scheiße aus, für Özil und Müller kamen Marin und Cacau .

GD: Was war daran Scheiße?

Onkelchen: Das Timing. Özil hat gegen Serbien bestimmt nicht sein bestes Spiel gemacht, aber nach dem verschossenen Elfmeter gingen die Offensivbemühungen unvermindert weiter, man hatte das Gefühl, dass Özil langsam ins Spiel findet, schließlich hatte er Podolski schon einige gute Vorlagen gegeben. Hätte Löw nur einen der beiden ausgewechselt oder vielleicht einen Stürmer für einen Abwehrspieler gebracht, dann hätte vielleicht noch etwas gehen können. So aber war der Rhythmus der Mannschaft vollkommen gebrochen. Das sah man sehr schnell. Es passierte nicht mehr viel.

Ist denn nun allein dieses eine Spiel schuld an der Malaise?

Onkelchen: Na ja, es ist symptomatisch für einige Dinge, die Joachim Löw – ich sage es mal so deutlich – verbockt hat. Warum spielen wir denn ein 4-2-3-1, wenn man nach der WM 2006 geschworen hat, wir spielen in alle Ewigkeiten 4-4-2? Das 4-4-2 ist dem gemeinen Fußballfan ja von Klinsmann und Löw als Ergebnis höherer Eingebung verkauft worden. Wenn das so ist, warum kommt man davon ab und spielt nur mit einem schwindsüchtigen Stürmer? Wir sehen es ja – fast alle Teams bis auf Argentinien bieten nur noch einen Stürmer auf. Dann brauchen wir doch keine Viererkette, dann können wir mit zwei Spitzen spielen. Das wäre wahrscheinlich die Option gewesen, mit der sich Serbien hätte knacken lassen.

GD: Die Hierarchie im Team war auch unklar. Auf der einen Seite ist Lahm Kapitän, Schweinsteiger aber der Leader und soll den Effenberg geben. Diese Doppelspitze ergibt keinen Sinn. Podolski hat gemacht, was er wollte, egal, ob es Sinn ergeben hat oder nicht. Das sah man beim Elfmeter. Er wollte das Tor unbedingt, weil er schon so viele Chancen versiebt hatte. Damit hat er der Mannschaft keinen Gefallen getan. Es ist insgesamt merkwürdig – mitten im Turnier, in einem Spiel, das auf der Kippe steht, schnappt sich ein unsicherer Kantonist den Ball und sagt „Ich schieß“. Das hätte klar festgelegt gehört, wer zum Strafstoß antritt.

Ihr seht die Schuld also hauptsächlich bei Jogi Löw?

GD: (nickt)

Onkelchen: Das ist vielleicht zu einfach – im Vorfeld ist einiges schiefgegangen, die Mannschaft hatte einige Nackenschläge zu verkraften, man denke an die ganzen Verletzungen, Ballack, Adler, Rolfes, Westermann, Träsch – vergessen wir auch nicht den Tod von Robert Enke. Da kam viel zusammen. Aber ein Trainer ist gerade dafür da, für solche Umstände eine Lösung zu finden. Ich sage nicht, dass wir hätten Weltmeister werden müssen. Das Viertelfinale wäre unter diesen Umständen schon ein anerkennenswerter Erfolg gewesen. Vergessen wir nicht, dass Frankreich auch schon draußen ist. Aber ein Vorrunden-Aus ist zu wenig – vor allem, weil es vermeidbar war.

GD: Die Mannschaft wurde unter Wert geschlagen. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich das gegen Ghana bessert. Deswegen sitzen wir ja schon heute hier und sezieren das deutsche Debakel.

Onkelchen: Ich will nicht mal sagen, dass der Mannschaft der Biss oder der Teamgeist oder der Kampfgeist fehlte – das alles war durchaus vorhanden. Ich hatte allerdings nie den Eindruck, dass wir es mit einer echten deutschen Mannschaft zu tun hatten. Bitte nicht falsch verstehen – das hat nichts damit zu tun, dass einige Spieler einen Migrationshintergrund haben, wie man wohl heute sagt.

GD: Das musst du jetzt erklären.

Onkelchen: Das beste Beispiel für das, was ich unter einer „echten deutschen Mannschaft“ verstehe, ist das Team, das die WM 86 in Mexiko gespielt hat. Die sind damals im Vorfeld heruntergeschrieben worden, man traute ihnen nichts zu. Und sie kamen ins Finale und holten einen Zwei-Tore-Rückstand gegen Argentinien auf. Zwei Jahre vorher bei der EM in Frankreich flogen wir ja mit Pauken und Trompeten raus, Trainer Derwall musste gehen, was mir sehr leid tat, und Beckenbauer übernahm. Alle Zeitungen schwadronierten von einem Neuanfang, als würden wir auf einmal wie die Franzosen spielen, die damals wirklich das Maß aller Dinge waren. Man vergaß aber, dass Beckenbauer auch nur mit den Spielern arbeiten konnte, die auch schon Derwall zur Verfügung hatte. Das Word „Rumpelfußballer“ gab es damals noch nicht, man bezeichnete das deutsche Team damals wohlwollender als „Fußball-Handwerker“, die keinen Stich gegen die technisch hochstehenden Konkurrenten machen würden. Der Start ins Turnier war auch wirklich mühsam. Erst rannten unsere Jungs gegen Uruguay 70 Minuten in praller Mittagshitze einem Rückstand hinterher, dann holten sie gegen Schottland im zweiten Gruppenspiel ebenfalls einen Rückstand auf und gewannen 2-1. Trotz einer Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark waren wir weiter (beim 24er-Teilnehmerfeld, das es damals gab, kamen auch die vier besten Gruppendritten weiter, uns reichte es aber zum zweiten Tabellenplatz). Witzigerweise gingen wir den Spaniern aus dem Weg, die Dänemark im Achtelfinale mit 5-1 niedermähten, gingen aber gegen Marokko im Achtelfinale über 120 Minuten, bis uns ein Matthäus-Freistoß erlöste. Im Viertelfinale ging’s gegen Gastgeber Mexiko, ein torloses Gewürge, in dem wir im Elfmeterschießen 4-1 gewannen. Und dann Frankreich im Halbfinale. Die Franzosen hatten ihren Höhepunkt schon bei der EM 1984 gehabt, ihre Stürmer wie Rocheteau taugten nicht viel, weswegen Platini das Toreschießen mit übernehmen musste. Und Platini war 1986 nicht mehr in seiner EM-Form, er war sichtlich zwei Jahre älter geworden und auch die Hitze machte ihm zu schaffen. Und dann kam der Freistoß von Brehme, der unter dem französischen Torwart Bats durchrutschte.

GD: Peter Shilton erlebte etwas Ähnliches vier Jahre später, ebenfalls bei einem Brehme-Freistoß, ebenfalls in einem WM-Halbfinale.

Onkelchen: Witzigerweise war der beste Torwart des Turniers der Brasilianer Carlos, der nur einen einzigen Gegentreffer zuließ. Brasilianische Torhüter sind ja bis dahin oft Gurken gewesen, man denke nur an den Fliegenfänger Valdir Peres 1982. Carlos fand ich 1986 dagegen cool – ein Torwart, der genauso hieß wie der damals meistgesuchte Terrorist der Welt. Egal. Was ich an unserem Team mochte, war, dass es so ein bisschen was von einem „dreckigen Dutzend“ hatte. Das waren keine Filigrantechniker (Magath, Litti und Herget vielleicht ausgenommen), aber es war ein Team. Sie machten sich nichts draus, dass ihnen keiner was zutraute. Man konnte ihnen alle möglichen Widrigkeiten in den Weg werfen, sie kamen damit klar. Sie gaben nie auf. Wenn’s sein musste, spielten sie mit einer Sechs-Mann-Abwehr. Brehme, Briegel, Förster, Berthold, Jakobs hinter und Eder vor der Abwehr. Sie haben wahrscheinlich dem Rest der Fußball-Fachwelt mehr Respekt abgenötigt als die Mannschaft, die 1990 schließlich in Italien Weltmeister wurde. Die anderen haben unsere Mannschaft gehasst und dadurch wurde sie nur noch stärker. Und das fehlt unserem Team heute, auch negative Stimmungen aufnehmen und in positive Resultate umwandeln zu können. Unser Team heute passt zu unserer Gesellschaft, in der die Erscheinung oft wichtiger als die Substanz ist. Nicht falsch verstehen: Unsere Jungs heute können auch Fußball spielen, und das sehr gut. Aber diese Abgeklärtheit, diese Nervenstärke, die die 86er hatten, das fehlt.

Dienstag, 22. Juni 2010

WM-Blog: Vorrunden-Haiku

Der Schweizer Riegel bröckelt wie ein Stück Toblerone.
Villa folgt dem Meister Podolski.
11 Meter verlangen nach innerer Ruhe.

Sonntag, 20. Juni 2010

WM-Blog: Müssen die Franzosen so ein Theater machen?

Im Lager der Franzosen ist offensichtlich der Konflikt zwischen dem ungeliebten Trainer Raymond Domenech und seiner Mannschaft eskaliert. Nach dem Rauswurf von Nicolas Anelka verweigerten heute einige Spieler das Training. Natürlich regiert auch der Frust - als Vizeweltmeister angereist, haben die Franzosen bisher kein einziges Tor und nur einen Punkt auf ihrem Konto, das Weiterkommen ist höchst unwahrscheinlich. Ich finde aber, die Franzosen machen zu viel Theater und würde ihnen raten, sich an unseren Spielern ein Beispiel zu nehmen. Auch wir Deutschen haben einen unfähigen Trainer und auch unsere Mannschaft wird am Donnerstag wieder heimfliegen. Aber machen wir deshalb so ein Bohei?

PS: Bemerke gerade, dass der brasilianische Spieler Elano (7) dem Mediziner und Kabarettisten Dr. Eckart von Hirschhausen zum Verwechseln ähnlich sieht. Luis Fabiano erzielt gerade das 2-0 gegen die Elfenbeinküste und wandelt dabei auf den Spuren von Thierry Henry, weil er die Hand zu Hilfe nimmt, um den Ball unter Kontrolle zu bringen. Gut abgeschaut, Luisl!

WM-Blog: Deutschlands beste Journalisten...

... nämlich Andreas Bock und Dirk Gieselmann von der Redaktion "11Freunde" kommentieren das Spiel Italien-Neuseeland wie folgt:


"Man stelle sich vor, jemand bewegt sich über einen gut besuchten Weihnachtsmarkt, und jedes Mal wenn er berührt wird, lässt er sich fallen. Diesem Mann würde von einer ganzen Handvoll Institutionen auf verschiedenste Weise geholfen werden, damit es ihm recht bald wieder gut geht. Allen täte er leid. Nicht so De Rossi: Er wird gefeiert, gilt als clever, zumindest innerhalb Italiens, er verdient einen Haufen Kohle, er reibt sich mit Olivenöl ein und modelt für Dolce&Gabbana, er wird wahrscheinlich noch mal Weltmeister. Es ist alles ein entsetzlicher Schmerz."



Dem ist nichts hinzuzufügen.

WM-Blog: Italien strengt sich erst ab der Zwischenrunde richtig an...

... anders lässt sich der Grottenkick gegen Neuseeland (1-1) nicht erklären. Ich habe schon technisch hochwertigere Viertligapartien gesehen. Mit wenig Technik, aber viel Einsatz, Kampfgeist und einem Torwart, der sich immer mehr steigerte, erreichten die Schafzüchter aus dem Pazifik ein insgesamt gerechtes Unentschieden. Der Schiedsrichter aus Guatemala ließ sich lediglich zu einem Elfmetergeschenk für die Italiener hinreißen, womit er den abseitsverdächtigen Führungstreffer der Neuseeländer einigermaßen ausglich. Offen bleibt allerdings, warum Italiens Trainer Marcello Lippi sein bewährtes "Kampfschwein" Gennaro Gattuso auch im zweiten Spiel auf der Bank schmoren ließ - dadurch wäre vielleicht doch noch ein bisschen mehr Druck aus dem italienischen Mittelfeld gekommen. Im Moment spricht also alles für eine erfolgreiche Titekverteidigung der Männer aus dem Belpaese - denn auch 1982 erzielten die Italiener in der Vorrunde nur drei Unentschieden und drehten dann in der zweiten Finalrunde richtig auf. Vieles spricht also dafür, dass Italien auch diesmal erst ab dem Achtelfinale auf Touren kommt.

WM-Blog: Die drei Herbergerschen Axiome

So, wir haben uns jetzt ein wenig ausgesprochen und Onkelchen ist auch wieder fähig, ganze Sätze zu sprechen, ohne ständig in Kassandrarufe ("Wehe!", "Ghana ist das Ende!" etc.) auszubrechen, die das gewisse Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft betreffen. Onkelchen war ja schon drauf und dran, im Internet das Gerücht zu verbreiten, dass die deutsche Mannschaft momentan noch weniger Zuversicht einflößt als die FDP. Ja, ja, so ist Onkelchen eben: Entweder alles oder nichts und immer das Kind mit dem Bade ausschütten. Nicht geändert hat sich allerdings, dass er nach wie vor einen Rochus auf Trainer Jogi Löw hat und im augenblicklichen deutschen Übungsleiter das wichtigste Hindernis im Hinblick auf eine erfolgreiche WM-Kampagne sieht. Hier möchte ich ihm daher Gelegenheit geben, seine Gedanken offenzulegen. Ich möchte allerdings warnen: Es wird sehr theoretisch!

Joachim Löw ist als Trainer ein ausgesprochener Anhänger des Systemgedankens. Er vertraut darauf, dass das von ihm konzipierte Spielsystem der wichtigste Baustein eines möglichen Erfolges bei der WM sein wird. Das Problem ist aber, dass es kein an sich überlegenes Spielsystem gibt - ein 4-3-3 ist nicht unbedingt besser als ein 4-4-2, ein 4-2-4 oder das momentan sehr modische 4-2-3-1. Es kommt nämlich immer darauf an, dass man die Spieler hat, die zu einem Spielsystem passen. Oder besser gesagt: Der Trainer muss seine Spieler, ihre Stärken und Schwächen sehr gut kennen und kann dann daran denken, eine Aufstellung zu finden, in dem sie ihre Vorteile besonders gut zum Tragen bringen können. Das war die Stärke eines Sepp Herberger - ich bin mir nicht sicher, ob dieser Weise des Weltfußballs jemals in Kategorien wie einem Spielsystem gedacht hat. Aber es war ihm immer klar, dass sich ein Spielsystem immer nach den Möglichkeiten der vorhandenen Spieler ausrichten muss und nicht umgekehrt.

Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass spätestens seit Klinsmann konsequent in der Nationalmannschaft die Viererkette favorisiert wird. Das ist an sich kein Problem, nur muss man eben auch die Spieler dafür haben! Wenn man einen gelernten Innenverteidiger Badstuber mit Gewalt auf die rechte Außenbahn schiebt, dann kann er dort nicht in vollem Maße den gewünschten Effekt erzielen. Gegen Serbien zog er mehrere Male gegen den pfeilschnellen Krasic auch deshalb den kürzeren, weil es ihm (vielleicht) etwas an der Grundschnelligkeit fehlte. Da muss man sich dann aber fragen, ob eine Viererkette angesichts der vorhandenen Spieler und ihrer Fährigkeiten überhaupt die richtige Lösung darstellt. Warum keine Dreierformation mit Libero? Das darf man ja heute nicht mal mehr denken. Aber wenn einje solche Lösung zu den Spielern passt, sollte man sie in Erwägung ziehen. Löw agiert hier wie ein Dogmatiker und sollte sich da doch das eine oder andere Scheibchen der geistigen Flexibilität des weisen Herberger abschneiden.

Hätte sich Herberger nicht mit Fußball, sondern mit Schach befasst, dann wäre ihm sicherlich der Rang eines "Ewigen Großmeisters" verliehen worden (ich weiß nicht, ob die Schachwelt einen solchen Titel kennt, aber es klingt halt gut). Ihm verdanken wir ja auch die drei Herbergerschen Axiome, in denen alles enthalten ist, was man über Fußball wissen muss.

Das Erste Herbergersche Axiom (EHA): Der Ball ist rund.

Dieses Axiom könnte man auch das Ungewissheits-Axiom nennen: Nichts im Spiel ist gewiss, ziehe keine voreiligen Schlüsse über den Gegner oder wie das Spiel verlaufen könnte. Es kann von Kleinigkeiten abhängen, ob der Spielausgang in die eine oder andere Richtung kippt. Das Axiom warnt Spieler und Trainer davor, irgendetwas als sicher oder gegeben anzunehmen. Auch nicht, dass ein System Sicherheit oder auch nur eine geisse Wahrscheinlichkeit bedeuten könnte, den Spielausgang erfolgreich zu gestalten. Sokrates, ein geistiger Verwandter des Weisen aus Hohensachsen (ich spreche hier von dem Philosophen, nicht von dem gleichfalls von mir hochgeschätzten brasilianischen Fußballer) hätte es so formuliert: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." Genau diese Einstellung ist für Spieler und Trainer wichtig: Alles ergibt sich im Spiel und durch das Spiel. Don't take anything for granted, don't make any assumptions, um es mal neudeutsch zu sagen.

Das Zweite Herbergersche Axiom (ZHA): Ein Spiel dauert 90 Minuten.

Das Pendant zur uramerikanischen Weisheit "It ain't over till the fat lady sings" oder auch zu "Es ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter abpfeift". Moderne Entwicklungen haben zwar dazu geführt, dass ein Spiel mitunter erst nach 93 oder 95 Minuten zu Ende sein kann. Aber es gilt nach wie vor: Wenn eine Mannschaft nur eine Halbzeit lang den Torerfolg sucht und die andere Halbzeit nur verteidigt, kann es ins Auge gehen. Es nutzt nichts, nur Kraft für 60 oder 70 Minuten zu haben. Positiv formuliert kann es auch bedeuten: Habe immer das Ganze im Blick, nicht nur einzelne Teile oder Teilaspekte. Gib dich nicht damit zufrieden, zur 80. Minute mit 1:0 oder 2:0 zu führen, viele wichtige Dinge passieren in der Schlussphase, wenn ein Team möglicherweise schon körperlich oder geistig abbaut. In der Derwall- und der Vogts-Ära gab es das des öfteren, dass die deutsche Mannschaft eine Halbzeit lang recht gut spielte, dann aber in der zweiten noch in die Bredouille geriet (man denke an das WM-Vorrundenspiel gegen Südkorea 1994 oder das EM-Gruppenspiel 1980 gegen Holland). Das ZHA ernst zu nehmen, bedeutet, über die gesamte Spieldauer körperlich wie geistig fokussiert zu bleiben. Sonst geht's schief.

Das Dritte Herbergersche Axiom (DHA): Das nächste Spiel ist immer das schwerste.

Das am häufigsten ignorierte Axiom. Wer im letzten Gruppenspiel vorrangig daran denkt, wer der Achtelfinalgegner sein könnte, fällt auf die Nase. Das DHA baut auf dem Ungewssheitsaxiom (dem EHA) auf, denkt es aber noch ein Stück weiter. Denn das DHA völlig zu verstehen, bedeutet, nicht darauf zu bauen, dass das nächste Spiel ähnlich laufen könnte wie das letzte. Spielzüge und Taktiken, die beim letzten Mal noch funktionierten, werden diesmal mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr klappen , weil der Gegner einfach anders spielt oder sich über Scouts oder Videoaufnahmen einfach das eine oder andere abschaut. Das DHA ist dasjenige Axiom, das am stärksten gegen den Gedanken eines Spielsystems spricht. Denn ein Spielsystem setzt voraus, dass viele Grundannahmen oder auch der grundsätzliche Spielaufbau gleich bleiben. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Das DHA rät also, praktisch vor jedem Spiel gewissermaßen tabula rasa zu machen und jede Partie gedanklich neu zu durchdringen. Das ist aber genau Löws Schwäche. Er hängt an seinem Systemgedanken und fällt sehr häufig auf die Nase, wenn der Gegner genau das nicht tut, was er sich vorgestellt hat. Serbien stellte zum Beispiel sehr effektiv die Räume zu und dazu kam noch ein etwas kleinlicher Schiedsrichter, der den Deutschen durch seine Kartenspielerei immer wieder dazwischenfunkte. Es wäre aber falsch, die Schuld beim Schiedsrichter zu suchen. Schlimmer wog Löws geistige Unflexibilität, das Spiel gegen Serbien neu zu denken und die Mannschaft entsprechend einzustellen. Er hängt einfach zu sehr an seinem System! Entsprechend ist gegen Ghana der GAU des Vorrunden-Ausscheidens fast schon sicher.