Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Freitag, 5. Februar 2010

Es waren einmal – Jo, der Captain, Finger-Man und die Dasda-Steffi

Onkelchen ist im letzten Jahr 40 Jahre alt geworden. Damit ist man zwar noch nicht wirklich alt, aber statistisch gesehen steht der Mann mit Vierzig schon eher in der zweiten Lebenshälfte. Dessen ist sich Onkelchen durchaus bewusst. Daher denkt er immer mal darüber nach, wie die Welt in seiner ersten Lebenshälfte aussah und welche Veränderungen vielleicht noch auf uns alle zukommen. Mit ein bisschen (aber nur einem bisschen) Wehmut erinnert er sich daher auch an die Zeit, als er Student an der zu Unrecht eher unberühmten Katholischen Universität Eichstätt war (In letzter Zeit macht die Uni eher durch gewisse interne Querelen von sich reden, tsk, tsk). Das war ziemlich genau die Zeit zwischen dem WM-Titel 1990 und dem EM-Titel 1996. Onkelchen hat zwar nie aktiv Fußball gespielt, aber sich immer sehr für Fußball interessiert. Und insofern ist es durchaus bemerkenswert, dass seine Uni-Zeit von den – zumindest bisher – letzten internationalen Titeln der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer eingerahmt wurde.
Es war damals die Zeit, in der die Lebenslauf-Optimierung noch nicht die erste Pflicht für einen Studenten oder eine Studentin war. Es gab keine austauschbaren Facebook-Profile, das Schreckgespenst Hartz IV existierte noch nicht, wer schon in Amerika gewesen war, verstand unter 9/11 bestenfalls die dortige Notrufnummer, und anstelle von Globalisierungsängsten feierte man Eine-Welt-Festivals. Die jungen Intellektuellen (zu denen sich Onkelchen damals gewisslich zählte) maulten zwar herum, dass „der Dicke“ – gemeint war Kanzler Helmut Kohl – doch jetzt endlich weg müsse. Dennoch sehe ich exzellente Chancen, dass sich diese Epoche zwischen dem WM-Titel 1990 und dem EM-Titel 1996 einmal als „gute alte Zeit“ qualifizieren wird.
Eichstätt war und ist noch immer eine hübsche überschaubare Bischofsstadt mit barocken Fassaden, einer wildromantischen Burg über der Altmühl und der kleinsten deutschen Universität. Da Onkelchen Journalistik studieren wollte (wieso eigentlich?), Eichstätt aber nicht weit weg von zuhause entfernt lag (zudem war Onkelchen noch nie ein Großstadtmensch), war dieser Ort die beste Wahl für die Schärfung seines Intellekts. Im Wesentlichen besteht Eichstätt aus zwei Straßen, der Ostenstraße und der Westenstraße (einfach zu merken, gell?). Dann gibt es noch eine ganze Menge von Gassen und zwei oder drei wirklich schönen Plätzen. Im Frühling, wenn die Natur zu blüht, so pflegt Onkelchen heute noch zu sagen, gibt es keinen schöneren Ort als den Frauenberg über Eichstätt, um von dort auf das Städtchen zu gucken. Im Herbst und Winter, wenn grauer Nebel aus der Altmühl steigt und die Bäume kahl sind, gibt es dagegen nur wenige trostlosere Orte.
Man muss sich vor Augen halten, dass Onkelchen damals lange nicht so dick war wie heute – er war sogar für seine Verhältnisse sportlich und hielt sich mit regelmäßigem Schwimmen fit. Heute traut er sich mit seiner Wampe leider nicht mal mehr in die Nähe eines Schwimmbads! Dass er damals trotzdem lange kein Mädel abkriegte, schreibt er heute seiner Verbissenheit zu, mit dem er damals zu Werke ging. Die schicken Studentinnen waren alle schon vergeben und für die anderen hatte er leider damals kein Auge (legendär sein Spruch: „Du Schlachtschiff“, mit dem er mal eine vor den Kopf stieß, die ihn ansprach). Es gab sogar mal eine, die ihn beim alljährlichen Hofgartenfest (dem gesellschaftlichen Höhepunkt des Uni-Jahres im Sommer) zum Tanzen aufforderte, ehrlich. Und die sah gar nicht mal übel aus. Onkelchen tat jedoch, als hätte er sie nicht gesehen und machte sich aus dem Staube. Er war halt ziemlich stoffelig damals (und ist es zum Teil heute noch).
Über Onkelchens Eichstätter Zeit lässt sich aber auch positiv sagen, dass er sich in Gesellschaft all der stromlinienförmigen Student/inn/en, die sich schon im ersten Semester als unverzichtbar für die FAZ oder das ZDF hielten, nie wohl fühlte. Er mochte eher die schrägen Typen wie zum Beispiel den Politikstudenten Max, mit dem zusammen er die Juso-Hochschulgruppe an der Uni Eichstätt gründete (OK, ein paar andere waren auch dabei). Er und Max verließen die Jusos dann aber bald wegen unüberbrückbarer ideologischer Differenzen – Onkelchen und Max drifteten zu sehr nach links und der von beiden propagierte „ökologisch orientierte Globalsozialismus“ (kurz öoGS, eine Synthese aus Marx und dem damals ungeheuer angesagten Politdenker Johan Galtung) war dem Rest der Jusos denn doch zu suspekt.
Onkelchen war auf dem besten Weg, zum Sonderling zu werden – nicht nur ideologisch –, bis er auf André traf, einen Journo-Studenten, der aus der Gegend von Lutherstadt Wittenberg stammte (genauer gesagt, aus Straach, einem Dorf, dessen Name auf Deutsch „Ort der Angst“ bedeutet) , in Leipzig sein Studium begonnen und dann nach Eichstätt gewechselt war. André hielt immer wieder Autorenlesungen und Onkelchen wurde zu seinem Heftchenmann, das heißt, er verkaufte die Heftchen mit Andrés Geschichten an die Zuhörer. Onkelchen trug dabei immer ein ganz düsteres Outfit mit schwarzem T-Shirt, schwarzer Jeans und einer schwarzen Baseballkappe mit dem Schriftzug „PSYGNOSIS“ – PSYGNOSIS war ein damals bekannter Hersteller von Computerspielen, ihr größter Hit war das legendäre „Lemmings“, aber das weiß heute keiner mehr.
Onkelchen verdiente sich als Heftchenmann nicht nur ein bisschen Geld, sondern er fand auch Zugang zu den noch etwas schrägeren Kreisen der Eichstätter Studentenschaft. Dazu zählten Jo und der Käpt’n. Die beiden wohnten zusammen mit André in einer WG im Spindeltal. Das war eine Gasse am hintersten Ende von Eichstätt, die brutal steil anstieg. Jo hieß eigentlich Joachim, aber alle nannten ihn Jo, und der Käpt’n sah aus wie Käpt’n Iglo aus der Fischstäbchenwerbung, nur eine ganze Ecke abgerissener. Heute würde man vielleicht sagen, der Käpt’n sah aus wie der Mitbewohner von Hugh Grant im Film Notting Hill, aber da dieser Mitbewohner im Film eine Taucherbrille trägt, hat auch er etwas Maritimes. Was Jo und der Käpt’n genau studierten, weiß Onkelchen heute nicht mehr (es war auf jeden Fall nicht Journalistik), aber beide waren furchtbar trinkfest und da musste Onkelchen manchmal eben mitziehen. Das hat ihm Tante Dilein später abgewöhnt, und zwar richtig.
Jo war nicht nur trinkfest, sondern er konnte mit seinem Bauch auch „Onko“ sagen – das war eine sehr populäre Kaffeesorte, die man damals bei Aldi kriegte. Jo hatte zudem wahnsinnig viele Militaria-Artikel gebunkert – Uniformen, Helme, Messer, Koppelzeug, Orden und dergleichen. Jo war allerdings kein Rechter und sympathisierte auch nicht mit den Nazis, das muss hier ganz klar gesagt werden. Er war auch einer der wenigen, die bei einem völlig verregneten Open-Air-Konzert, bei dem Bands mit den Namen „Freaky Fukin Weirdoz“, „Solon Tschak“ und „Susu Bilibi“ auftraten, bis zum Ende durchhielten. Aus Zucker war er nicht, der Jo.
Dann gab es den Käpt’n, wie gesagt. Zusammen mit Jo rauchte er oft Selbstgedrehte undefinierbaren Inhalts. Der Käpt’n hatte das Meerschweinchen seiner Freundin auf dem Gewissen. Ich möchte an dieser Stelle des namenlosen Meerschweinchens gedenken, das die Freundin dem Käpt’n übers Wochenende zur Pflege daließ, das dann aber zuerst den einen und dann den anderen Nagezahn verlor und dann einging. Gerüchteweise konnte der Käpt’n trotz des Wochenendes ein Ersatzmeerschweinchen besorgen. Ob die Freundin dahinterkam und ob sie ihm verziehen hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Dann gab es im Spindeltal noch einen vierten Mitbewohner, dessen Name meinem Onkelchen partout nicht mehr einfällt. Dieser Mitbewohner unternahm ständig ausgedehnte Wanderungen im Naturpark Altmühltal, wo er Dolinen (nicht Mandolinen) und die Fossa Carolina entdeckte, von denen er immer schwärmte. Jo behauptete allerdings (hinter dessen Rücken), der notorisch unbeweibte Mitbewohner habe sich auf seinen Wanderungen immer nur für Astlöcher interessiert.
Dann gab es Finger-Man. Finger-Man war ein Typ, den André und Onkelchen nur vom Sehen kannten. Er hatte seinen Spitznamen aber weg, als er bei einem Gig einer Band in einer Eichstätter Kneipe immer nur rhythmisch mit dem Zeigefinger zuckte, während der Rest seines Körpers stocksteif stehen blieb. Dieses Verhalten legte Finger-Man gelegentlich auch im Dasda, der einzigen Diskothek Eichstätts, an den Tag.
Im Dasda gab es keinen Türsteher, im Gegenteil, es gab sogar einen Biergarten dort. Es war das, was man eine Wohlfühl-Disko nennt. Sogar Onkelchen war ein paarmal da! Dort gab es die Dasda-Steffi. Ich befürchte, dass niemand ihren richtigen Nachnamen kannte. Sie war einfach die Dasda-Steffi, eine Studentin, die im Dasda manchmal bediente. Soweit die unbestreitbaren Fakten. Gerüchteweise gehörte ihr aber der Laden damals. Onkelchen wurde das Gefühl nie los, dass die Dasda-Steffi unglücklich in André verliebt war. Irgendwann machte Andrés damalige Freundin Schluss und die Dasda-Steffi war plötzlich ziemlich oft in seiner Nähe zu sehen. Onkelchen fand die Dasda-Steffi eigentlich OK, obwohl sie rauchte (das war für ihn damals ein KO-Kriterium). Irgendwie ergab es sich aber anders, und aus André und der Dasda-Steffi wurde nichts Festes. Nichts Festes wurde aber auch aus André und Wiebke der Elfengleichen, die einen Chinchilla als Haustierchen hatte, fantastisch singen konnte und André (immerhin!) ein Candlelight-Dinner abtrotzte, in dessen Verlauf sie ihn herumzukriegen versuchte. Wiebke war ein Star unter den Journalistikstudentinnen - sie inszenierte zum Beispiel Musicals mit Studenten als Darstellern. Aber sie war zu dürr. Das hatte Onkelchen gleich geahnt.
Onkelchen drängte es nicht so sehr ins Rampenlicht, er ließ sich aber bei dem Musical Oklahoma, das Wiebke inszenierte, als Tonmeister anheuern. Er baute die Beschallung auf und spielte die Musikstücke ein. Dazu ließ er sich eine Lösung einfallen, mit der er den Audimax der Uni mit dem Sound von Wiebkes kümmerlichem Hifi-Türmchen beschallen konnte. Während der Premiere stoppte er das Band mit der Musikbegleitung aus Versehen ein bisschen zu früh. Regisseurin Wiebke kriegte einen Tobsuchtsanfall. Onkelchen war darüber so sauer, dass er später Wiebkes Versuche, bei André zu landen, nach Kräften hintertrieb.
Onkelchen war sogar ein Trendsetter. Er machte Eichstätt mit dem Friesensport Boßeln bekannt. Boßeln ist nicht kompliziert, es gibt zwei Teams, es gibt einen Punkt A und einen Punkt B, die beide ein paar Kilometer voneinander entfernt und durch eine Straße miteinander verbunden sind. Das erste Mitglied des ersten Teams schmeißt die Kugel von Punkt A die Straße entlang. Dann ist das erste Mitglied des zweiten Teams dran, das seine Kugel ebenfalls von Punkt A aus schmeißt. Das Mitglied vom ersten Team schmeißt von dem Punkt ab, an dem die erste Kugel liegen blieb, das zweite Mitglied des zweiten Teams schmeißt von dem Punkt ab, an dem die zweite Kugel liegen blieb. Irgendwann kommen beide Teams an Punkt B an und wer weniger Würfe brauchte, hat gewonnen. Das Ganze gewinnt dadurch Würze, dass der Schiedsrichter bestechlich ist.
Irgendwann merkte Onkelchen aber, dass für ihn die Eichstätter Zeit zu Ende ging. Die Student/inn/en wurden immer stromlinienförmiger. Über eine dieser Studentinnen sagte Onkelchen einmal, man könne ihre Schädeldecke sehen, wenn man ihr in die Augen guckte. Aber Onkelchen und André verabschiedeten sich mit einem Knalleffekt – einem Raketenstart im berühmten Figurenfeld von Eichstätt. Onkelchen startete Modellraketen und eine ganz ansehnliche Zahl von jungen Menschen brachten Bier und Schlafsäcke und wohnten dem Ereignis bei. Jo war dabei, ob der Käpt’n dabei war, weiß Onkelchen nicht mehr sicher. Max und Finger-Man waren nicht dabei und auch nicht die Dasda-Steffi. Eigentlich schade.

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