Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Montag, 16. Mai 2011

ESC-Nachlese: Wer leckt Lenas Wunden?

Onkelchen, ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals erleben würde.

Was denn?

Da findet in Düsseldorf der ESC statt - zum ersten Mal seit 28 Jahren auf deutschem Boden - und du guckst DVDs der "Big Bang Theory".

Ich hatte es ja schon angedeutet - der Grand Prix ist mir nicht mehr so wichtig wie früher. Aber bei der Punktevergabe war ich dann live dabei.

Bei der recht bald klar war, dass es keinen zweiten Sieg für Lena geben würde...

Google hatte sie ja zuletzt doch vorne gesehen. Aber auch die weltgrößte Suchmaschine kann ab und zu irren, nachdem zweimal hintereinander die Google-Prognose richtig war. Aber sowohl Alexander Rybak in 2009 als auch Lena in 2010 lagen so eindeutig vorne und bestimmten so eindeutig die Schlagzeilen, dass sich das natürlich auch in den Suchanfragen bei Google widerspiegelte. Das war diesmal nicht der Fall, das Feld war besser durchmischt. Da zeigt sich halt, dass nach einem bestimmten Künstler im Netz zu suchen, nicht automatisch bedeutet, ihn (oder sie) auch zu wählen.

Wohl wahr. Wie ist denn dieser zehnte Platz für den deutschen Beitrag einzuordnen?

Stell dir mal vor, Bayern München gewinnt in einer Saison die Champions League und scheidet in den darauffolgenden im Achtelfinale aus. Anders als eine "krachende Niederlage" kann man das wohl nicht bezeichnen. Der zehnte Platz ist nichts anderes als eine solche.

Ist das nicht etwas überzogen? Alle haben Lenas Auftritt gelobt...

Das mag ja sein, aber es wird hier mal wieder mit zweierlei Maßstab gemessen. 2003, als Ralph Siegel zum letzten Mal den deutschen Beitrag lieferte, erreichte die Sängerin Lou für Deutschland den elften Platz - bei 26 Teilnehmerländern im Finale, also ein Platz im oberen Mittelfeld. OK? Damals ergoss sich Hohn und Spott über Siegel. Vorgestern erreicht Lena Platz zehn bei 25 Teilnehmerländern, also ebenfalls ein Platz im oberen Mittelfeld. Fast das identische Ergebnis. Und der allgemeine Tenor ist, das sei als Erfolg zu werten. Ich will damit nicht sagen, dass ich Ralph Siegel zurückhaben will, aber da passt was nicht zusammen.

Die deutsche Presse ist über ihre Lena-Infatuation noch nicht hinweg...

Quite obviously. Allerdings gab es in der letzten Woche vor dem Grand Prix auch einiges Lena-Bashing, das ungerechtfertigt war.

Du denkst an das verunglückte Interview von Frank Elstner mit ihr und einige der Reaktionen darauf...

Unter anderem. Ich habe mir Ausschnitte daraus angesehen und fand einerseits, dass sie ziemlich rüde mit dem älteren Herrn umgegangen ist. Dieser Meinung kann man durchaus sein.
Andererseits ist es ja so, dass die meisten Journalisten, die über den ESC berichten, sich nie wirklich mit der Materie beschäftigt haben. Eine Joy Fleming wurde zum Beispiel mal gefragt, warum sie nie am Grand Prix teilgenommen hat. Ehrlich! Und wenn Elstner nun "European Song Contest" sagt - gleich zweimal - und Lena ihn strenge darauf hinweist, das es "Eurovision Song Contest" heißt, dann kann das durchaus der Tatsache geschuldet sein, dass sie es einfach über ist, dass die Journos nichts weiter als kenntnislose Bissigkeit an den Tag legen. Auch Elstners Frage, ob sie denn gerne irgendeines der konkurrierenden Lieder singen würde, war blöd. Zudem hat er eine ganz unangenehme Art, sich beim Interviewpartner anzubiedern. Wenn er zum Beispiel von der "Lenarena" spricht, ist das einfach affig. Das Mädel ist klug genug zu wissen, dass hier ein Hype um sie herum aufgebaut wird, der mit ihr selber nichts zu tun hat. Und das macht sie wieder sympathisch. Auch wenn ich mit ihrer Musik nix anfangen kann.

Bei diesem ESC haben ja wieder die alten Mechanismen gewirkt, das fröhliche Punkte-Zuschieben der osteuropäischen Länder war lebendig wie eh und je.

Das ist zu einfach. Es gibt einige Blöcke, die nebeneinander existieren, und da ist es ganz spannend zu beobachten, wie sie sich bei der Abstimmung verhalten.
  • Da sind zum einen die skandinavischen Länder. Letztes Jahr konnte Lena von den Skandinaviern profitieren, weil es keinen starken Titel aus diesem Raum gab. Diesmal waren dagegen Schweden und Dänemark ähnlich stark. Die baltischen Staaten sind in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant, weil sie sich mal eher in Richtung Skandinavien orientieren und mal in Richtung der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, da gibt es viele Gemeinsamkeiten.
  • Der zweite Block ist das ehemalige Jugoslawien plus Griechenland und mitunter Rumänien und Bulgarien, davon hat diesmal unter anderem der bosnische Beitrag unglaublich stark profitiert.
  • Selbstredend die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Aber das sind eigentlich zwei Blöcke, nämlich einerseits Russland, Weissrussland, Ukraine plus mitunter den Staaten des Baltikums. Manchmal stimmen auch die Polen, Ungarn und Slowaken gemeinsam mit denen ab. Das wäre Block 3a. Daneben stellen die Kaukausus-Staaten wie Georgien, Aserbaidschan und Armenien einen wichtigen Block 3b, und teilweise bekommen die auch Stimmen von der Türkei, Moldau und Rumänen, mit denen es gewisse Gemeinsamkeiten gibt.
  • Dazu kam diesmal eine ziemlich stark ausgeprägte Südschiene, also die romanischen Länder, die den italienischen Beitrag sehr stark nach vorne gepuscht haben.
Diesmal ist es keinem Beitrag so richtig gelungen, bei mehreren dieser Blöcke nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Deswegen fiel auch der Vorsprung der Aserbaidschaner relativ knapp aus, und die Abstimmung war deshalb auch so spannend. Wenn ein deutscher Beitrag in Zukunft Erfolg haben will, muss er einerseits versuchen, bei den deutschen Nachbarstaaten gut anzukommen und am besten noch in Skandinavien und auf der Südschiene. In den Blöcken 2, 3a und 3b ist dagegen für einen deutschen Interpreten so gut wie nichts zu holen.

Das Rezept für künftige Siege lautet also: Skandinavischer Happy Sound mit südländischem Einschlag?

So könnte man sagen. Oder etwas ganz anderes, eine Newcomerin, die aus dem Nichts kommt, wie eine Madonna von Raffael aussieht und alle Herzen mit ihrer unverfrorenen Naivität (oder naiven Unverfrorenheit?) erobert. Wie letztes Jahr. So etwas gibt es aber nur alle Jubeljahre.

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