Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Mittwoch, 28. August 2013

Paige aus Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch und noch ein paar andere Sachen



Hallo, Onkelchen. Es ist mal wieder Zeit für ein Interview.

Ach du meine Güte. Was willst du denn diesmal wissen?

Ach, da gibt es so einiges. Zum Beispiel, was die Irland-Reise von Dir und Tante Dilein betrifft. Da gibt es noch ein paar ungeklärte Fragen.


Welche denn?

Naja, lass uns mal mit deinem ersten Eintrag in dein Reisetagebuch beginnen. Dort heißt es: „In der Cafeteria des James Pringle Weaver Shops von Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch arbeitet ein hübsches junges Mädchen namens Paige.“


Na und? Ich dachte, das könnte ein guter Romananfang sein.

Dieser Satz ergibt keinen Sinn. Warst du high?


Ganz und gar nicht. Es ist alles so, wie es da steht. In Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch (das ist ein Ort in Wales, den es wirklich gibt, siehe hier - wir haben auf dem Weg nach Irland dort Station gemacht) gibt es einen James Pringle Weavers Shop. Das ist so eine Touristenfalle, wie es sie an manchen touristisch interessanten Punkten Großbritanniens gibt. Man kann dort vor allem Wollklamotten, Strickpullover und Socken kaufen, aber auch alle möglichen Arten von Reiseandenken. Sogar Golfausrüstungen. Und dieser Shop hat eine Cafeteria, wo man zum Beispiel ganz leckere Scones erstehen und Tee trinken kann. Und dort sah ich ein hübsches Mädel, auf deren Namensschild der Name „Paige“ eingraviert war. Sie räumte gerade die Tische ab und hatte ein nettes Lächeln.



Ooooh. Blond oder dunkel?


Dunkel. Ich nehme aber an, dass es eine Schülerin oder Studentin war, die sich mit dem Job über die Ferienzeit ein bisschen Geld hinzuverdiente. Deswegen kann es sein, dass du sie nicht triffst, wenn du zufällig in Llanfairpwll­gwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch vorbeischauen solltest.

Aha. Abgesehen davon war deine Irland-Reise also nicht sehr erfreulich?


Warum das denn?

Weil das der einzige Eintrag in dein Reisetagebuch war.


Wahrscheinlich war ich nur zu faul, weitere Einträge zu machen. Kennst mich doch.

In der Tat. Du hast mir relativ eindeutige Sachen über andere Unannehmlichkeiten in Irland erzählt. Hohe Preise, mangelnder Service – und wie war das mit dem Auftritt, den du da in Irland hattest? Tante Dilein hatte sich darüber ausgelassen.


Oh, jetzt wird’s kompliziert.

Ich höre.


Zunächst mal glaube ich, dass diese Art der Reise – eine Gruppenreise im Bus – vielleicht doch nicht ganz das Richtige für uns beide war: Wenn man eigentlich Land und Leute kennenlernen will, ist es vielleicht nicht ganz das Richtige, in Gegenden rumzukurven, in denen lauter Busse unterwegs sind, die ebenfalls voller Deutscher sind. In so einer Gruppe muss man sich leider auch anpassen. Und das ist für einen Menschen nicht ganz einfach, der einen 7,5 Tonnen schweren asiatischen Elefantenbullen zum Freund hat. Aber einige Sachen stimmen tatsächlich: An einigen touristischen Orten sind die Preise für ein Bier oder für ein ganz simples Essen in einem ganz ordinären Pub wirklich absurd hoch. Und irgendwann siehst du nur noch grün, als hätte man Dir einen Grünfilter vors Gesicht geschoben. Last but not least stellt sich dann der Effekt ein, dass im Reiseführer lauter Orte beschrieben sind, die um Längen interessanter sind als das, was der Reiseleiter gerade erklärt. Die gesamte Reise litt an einem Zuviel an grüner Landschaft und einem Zuwenig an interessanten Bauwerken und archäologischen Stätten. Irland verhält sich in dieser Beziehung also genau umgekehrt proportional zu Rom. Zumindest was unsere Reiseoute betraf.

Aha. Aber da gab es auch noch diesen Auftritt…


Ich rede nicht so gern darüber.

Ach bitte!


Na gut. Unser Reiseleiter Kurt D. hat mir da einen Streich gespielt. Es war am dritten Tag nach unserer Ankunft in Irland, wir hatten gerade den Giant’s Causeway hinter uns gebracht und zockelten an der nordirischen Küste entlang in Richtung Londonderry. Der Reiseleiter hatte eine CD mit irischen Folkballaden eingelegt. Das dritte Lied erkannte ich sofort, es war „Fields of Athenry“. Und ich sang mit. Genauso wie ich im Auto immer singe.

Ja, ich weiß. Da zerspringt immer dein Autofenster.


Korrekt. Kurz darauf machten wir einen Toilettenstop, und der Reiseleiter fragte mich, ob ich nicht vorher schon mal in Irland gewesen sei. Was ich verneinte.

Ach was!


Auf jeden Fall fuhren wir dann nach Londonderry und dann weiter nach Stranorlar in der Grafschaft Donegal, wo unser Hotel war. Ein wirklich tolles Hotel namens „Kee’s“ übrigens. Die Zimmer waren zwar klein, aber das Haus hatte Atmosphäre und die Leute dort waren wirklich nett. Nach dem Abendessen hatte ich schon ein Bier intus und wir wackelten rüber an die Hotelbar, wo für den Abend Irish Folk and Dance angekündigt war. Wir waren gespannt. Da waren junge Mädels, die im Stil von Riverdance tanzten und ein Folk-Barde, der auf der Gitarre irische Weisen sang. Alles wirklich ganz nett. Dann aber unterbrach der besagte Folk-Barde seinen Vortrag und sagte sinngemäß, im Raum befinde sich ein junger Freund aus Deutschland, der den Anwesenden doch sicherlich das schöne Lied „Fields of Athenry“ vortragen würde. 
Und dabei zeigte er auf mich.

Ach du … ! Woher wusste er das denn?


Wie gesagt, der Reiseleiter hat mir da einen Streich gespielt. Er hatte es dem Hotelbesitzer gesteckt. Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich in diesem Moment dachte. Ich muss total rot angelaufen sein. Und natürlich kam ich aus dieser Nummer nicht mehr raus. Ich schlich also rüber, dorthin, wo der weißhaarige Barde sein Mikro und seine Anlage aufgebaut hatte. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich überhaupt eine Liedzeile rauskriegen würde. Aber irgendwie hielt ich mich am Mikrofon fest, der Barde begleitete mich auf der Klampfe, und meine Knie zitterten.

Faszinierend.


Du darfst nicht vergessen, dass es für mich das erste Mal war, dass ich überhaupt solo vor Publikum in ein Mikro sang. Bei der ersten Strophe musste ich textlich noch ein bisschen schummeln, beim Refrain war ich mir dagegen schon sicherer, da sangen schon alle mit! Und die zweite und dritte Strophe kamen dann einfach Zeile für Zeile. Und am Ende muss es wohl ziemlich gut gewesen sein. Die Dame an der Bar brachte mir hinterher sogar einen sehr gut eingeschenkten Whisky von Leo (dem Hotelbesitzer) und sagte, es sei „very good“ gewesen. Der Hotelbesitzer fragte mich am folgenden Abend, ob ich nicht nochmal singen wollte.

Und hast du?


Nein. Weil – irgendwie war es schon toll, aber es wäre nicht dasselbe gewesen.

Dir scheint aber dieser Irish Folk irgendwann mal etwas über geworden zu sein.


Ja, das hat auch ein bisschen damit zu tun, dass man an fast allen Touristenorten damit beschallt wird. Und auch wenn man Irish Folk generell mag, gibt es halt Lieder, die einem besser und solche, die einem weniger gut gefallen. Das ist bei jeder Art von Musik so.   

Klar. Aber du bist mit Tante Dilein am letzten Abend in eine Musikkneipe gezogen.


Ja, das war toll. Wir waren am letzten Tag noch einmal in Dublin und obwohl wir wussten, dass wir am nächsten Morgen früh raus müssen, sind Tante Dilein und ich mit dem Doppeldeckerbus in die Stadt gefahren. Das Hotel lag ziemlich außerhalb, und da mussten wir erst mal nachfragen, wo wir eine Bushaltestelle finden. Wir haben also das Abendessen ausgelassen und sind reingefahren. Wir landeten im Temple Bar-Bezirk, dem Künstlerviertel von Dublin, und Tante Dilein schleppte mich dann in eine Kneipe, aus der Musik kam, die ihr gefiel. Es war ausgerechnet die Temple Bar, also der Laden, der dem ganzen Viertel den Namen gegeben hatte. Und da waren also drei Jungs zugange, die so klassische Popsongs drauf hatten. American Pie, Country Roads und solche Sachen. Alles aber ein bisschen roh, mit zwei Gitarren und einer Geige. Und in den Liedern, in denen keine Geige vorgesehen war, kümmerte sich der Geigenmann um die Percussion, indem er auf die Kiste klopfte, auf der er saß!



Die Bude war voll, wir schoben uns Stückchen für Stückchen weiter rein, ich holte mir ein Kilkenny, Dilein trank ein Cider Shanty (auf Deutsch würde man wohl Apfelmost-Schorle sagen). Später orderten wir noch exzellente Thunfisch-Sandwiches. Als die Jungs aufgehört hatten zu spielen, gingen wir dann. Wir holten uns aber noch ein paar gefüllte Brötchen bei einem Argentinier, bevor wir zum Bus gingen und wieder zum Hotel rausfuhren.



Woher wusstest du, dass der Typ Argentinier war?


(grinst) Ich hab ihn gefragt. Ich hatte aber auch einen Anhaltspunkt: Über seinen Kühlschrank hing unübersehbar eine argentinische Flagge. Und auf der Flagge klebte ein Bild von „D10s“ Maradona. Das war also nicht schwer zu raten.

Warum habe ich nur das Gefühl, dass es bei Dir immer um Fußball geht?

Ja, warum nur?       

Sonntag, 25. August 2013

Die Rose von Tralalalee

Unser letzter Blogbeitrag hat für viel Aufregung gesorgt. Unsere Telefonleitung ist beinahe zusammengebrochen, weil sich diverse hochrangige Vertreter des irischen Touristikbüros über den Text beschwert hatten. Der Tenor war: Das kann ja nun doch nicht alles so gewesen sein, wie Sie das schreiben. Das mit den hohen Preisen, nun ja, das uns auch bekannt, darauf haben wir natürlich keinen Einfluss, verstehen Sie, aber das ist doch nun unfair, wenn Sie das so sagen. Weitere Leser wollten wissen, mit welchem slowakischen Supermodel wir unterwegs gewesen seien und ob wir eine Telefonnummer wüssten. Auf die letzte Antwort können wir leider nur mit Nein antworten, da wir die Privatsphäre aller Mitreisenden selbstverständlich wahren. Und Eva Herzigova ist Tschechin! Allein deshalb kann sie es nicht gewesen sein.

Aber die Schlagzeile "Ireland: Overpriced, overcrowded, overrated" ist nun einmal in der Welt, und obwohl wir davon nichts zurücknehmen, wollen wir hier nun versuchen, ein wenig gnädiger mit der in letzter Zeit doch etwas gebeutelten grünen Insel umzugehen. Den unvermeidlichen enthusiastischen Studentinnen, die nach nur einem folk-geschwängerten Abend in der Dubliner Temple Bar für immer und ewig in Irland bleiben wollen, würden wir aber trotzdem raten, sich einmal mit dem profunden Landeskenner Kurt D. zusammenzusetzen und sich von ihm zum Beispiel das eine oder andere über das Gesundheitssystem der Insel verklickern zu lassen. Vielleicht ebbt der Enthusiasmus der erwähnten Studentinnen ja dann auch ein bisschen ab.

Tja, wo fangen wir an mit der Ehrenrettung der Kerrygold-Nation? Ein Problem der Reise, von der Onkelchen und Tante Dilein wieder glücklich nach Hause zurückgekehrt sind, war sicherlich, dass die Inhalte nicht sehr günstig gegeneinander abgewogen waren. Es gab kurz gesagt ein Zuviel an Naturschönheiten und Gartenanlagen, aber ein bisschen wenig alte Burgen und Archäologisches zu bestaunen. Besonders Onkelchen begann da schwer zu murren. Aus seiner Sicht wurde ein ganzer Vormittag an den - sicherlich eindrucksvollen - Cliffs of Moher verdaddelt, während man an einer Reihe interessanter Burgen und verfallener Abteien mehr oder weniger kommentarlos vorbeifuhr. Bei den Cliffs of Moher hätte es Onkelchen definitiv gereicht, aus dem Busfenster zu gucken. Dann hätte er gesagt: "Oh, Klippen!", und damit wäre er zufrieden gewesen. Zwei Stunden Aufenthalt an der windumtosten Steilküste waren aber für ihn der totale Overkill. Als Reiseleiter Kurt D. ein paar Tage zuvor aus Zeitmangel den angekündigten Besuch bei einem keltischen Ringfort einfach cancelte, war Onkelchen ganz nah dran, eine Revolution anzuzetteln, zusammen mit einem älteren Mitreisenden, der ein wenig dem Next-Generation-Enterprise-Kapitän Jean-Luc Picard ähnelte. Star-Trek-Fans scheinen also auch abgesehen vom Weltraum gemeinsame Interessen zu haben. Onkelchen stichelte aber noch nach Tagen wegen des abgesagten Besuchs bei dem Ringfort.

Darüber hinaus wurden dreimal irgendwelche Herrenhäuser besucht, die englische Magnaten im 19. Jahrhundert angelegt hatten und die vor allem wegen ihrer Gartenanlagen berühmt sind. Onkelchen hatte es schon seit jeher nicht so sehr mit der Botanik. Die einzige Pflanzensorte, die er zweifelsfrei identifizieren kann, sind Brennesseln, und das auch nur, wenn er sie angefasst hat. Ich als Pflanzenfresser sehe solche Gärten natürlich mit anderen Augen, aber ich wurde das eine oder andere Mal auch aus Parks entfernt, weil ich die Pflänzchen halt gelegentlich schon mal anknabbere. Da kann ich halt nicht aus meiner Elefantenhaut. Fazit: Ein solches Herrenhaus mit Garten hätte absolut gereicht. Drei waren auch hier der totale Overkill.

Und dann noch das irische Fernsehen! Irgendwie macht es sich heute noch bemerkbar, dass die Iren siebenmal den Eurovision Song Contest gewonnen haben und die Fernsehanstalt RTE darob sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Interessante Filme oder Dokus waren Fehlanzeige: Während der ganzen Zeit, in der Onkelchen und Tante Dilein auf der Insel waren, gab es nur ein Thema, und zwar die Wahl der Rose von Tralee. Onkelchen machte daraus natürlich gleich "Tralalalee", und so falsch war das gar nicht. Denn Tralee ist ein nettes Städtchen im Südwesten von Irland, das unter anderem durch ein Lied - eben über die Rose von Tralee - bekannt geworden ist.

Seit mehreren Jahrzehnten wird dort die "Rose von Tralee" gewählt. Das wäre in Deutschland im weitesten Sinne mit der Wahl einer Weinkönigin vergleichbar. Mit dem Unterschied, dass sich Frauen aus ganz Irland und auch Damen irischer Herkunft aus dem Ausland um den Titel bewerben können und sich dann nach einer Vorauswahl in Tralee zur Finalrunde einfinden. Mit dem Effekt, dass alle Hotelzimmer im Südwesten Irlands um diese Zeit ratzeputz ausgebucht sind und Onkelchen in einem Hotel in Killarney einem Bett schlafen musste, an dessen Matratze ganz offenbar noch Spuren eines Mordes zu finden waren. Forensikerin Abby Sciuto aus NCIS hätte sicher ihre helle Freude an den Spuren gehabt.  


Auch beim Aufhängen der Vorhänge im Zimmer von Onkelchen und Tante Dilein in Killarney ließ man offensichtlich jedes Augenmaß vermissen. Und auch die Spuren auf dem Teppichboden weisen auf eine greuliche Beziehungstat hin, die in diesem Hotelzimmer stattgefunden haben muss.


Aber es gibt doch nichts, was sich nicht durch ein schönes Glas Whiskey vergessen machen lässt. In diesem Sinne: Sláinte! (zu Deutsch: Nastrowje!)




    

Irland: Überteuert, überlaufen, überschätzt

Die Iren (oder sind es nicht doch die Schotten?) haben ein Sprichwort: "Realität ist die Illusion, die durch den Mangel an Whisky zustande kommt." Egal, ob es nun die Kiltträger oder doch die Iren waren, die diese Weisheit an den Tag gebracht haben, so gilt doch eines: Wenn man nach 9 Tagen auf der Kerrygold-Insel den Whiskey (jawohl, in Irland schreibt man das Destillat mit "e") und das Guinness abzieht und die allgegenwärtige Beschallung mit klebrig-getragener pseudokeltischer Musik ausblendet, so bleibt die nüchterne Wahrheit übrig: Irland ist überteuert, überlaufen und grenzenlos überschätzt.

So ist es Onkelchen in den verhangenen Tagen auf der Grünen Insel an keinem Ort gelungen, eine Pinte Bier (knapp 600 ml) für unter 6 Euro zu bekommen.Onkelchen ist sogar vielerorts auf eine außerhalb Irlands nur wenig bekannte Biersorte namens "Smithwicks" ausgewichen, um die Erosion seines Geldbeutels in Grenzen zu halten. Verglichen damit ist der Bierpreis auf der Wiesn in München geradezu ein Schnäppchen: Eine Maß (!) kostet auf dem Oktoberfest 2013 maximal 9,85 Euro im Armbrustschützenzelt.Wahrscheinlich gibt es deshalb in der "Temple Bar" im Herz von Dublin inzwischen auch Paulaner-Bier zu trinken. 


Damit nicht genug: Wer in einem belanglosen Kaff namens Westport zerkochte Spaghetti Bolognese mit zweifellos aus der Dose stammender Soße genießen will, bezahlt dort 11,90 Euro pro Person und muss darauf noch eine knappe halbe Stunde warten. Ein paar Nudeln werden da zum Luxus pur.

Darüber hinaus ist Irland dermaßen von Touristen (hauptsächlich aus den USA und Deutschland) überlaufen, dass sich die Touristenbusse vor den Hauptattraktionen und Sehenswürdigkeiten geradezu gegenseitig auf den Reifen stehen (das Bild ist zwar schief, aber ich hoffe, es kommt rüber, was gemeint ist). Am Ring of Kerry, einer von Touristen sehr geschätzten Rundstrecke, musste Onkelchens Reiseleiter, ein in Norwegen gebürtiger Haudegen namens Kurt D., alle Kunstgriffe aufwenden, um für den Bus eine einigermaßen geeignete Stelle zum Parken zu finden. Immer schwang die Angst mit, einen der - angeblich - tollen Landschaftsausblicke zu verpassen, weil der Bus der Reisegesellschaft aus dem Schwarzwald, die gleichzeitig unterwegs war, die letzte verfügbare Parkbucht blockiert haben könnte. (Um es kurz zu machen: Kurt blieb Sieger!) Aber die Frage, ob man einen Busparkplatz finen würde, war letztlich interessanter als das, was man zu sehen bekam. Meistens war das, was man sah, irgendwie grün. Zum Beispiel das:

   
Oder das:


Oder das:


You know the place. Inzwischen habt ihr sicher ein Gefühl dafür bekommen, dass in Irland irgendwie alles immer grün ist. Fast so, als trüge man eine Brille mit grünen Gläsern. Das bekommt man irgendwann auch über.

Von der angeblich sprichwörtlichen irischen Gastfreundlichkeit haben Onkelchen und Tante Dilein auch nicht besonders viel mitbekommen. Als Onkelchen bei der Besichtigung einer Whiskey-Distille und nachfolgendem Umtrunk bemerkte, das "sine metu", also ohne Furcht (vor Besteuerung?) gefertigte Destillat würde ein Schotte mit hoher Wahrscheinlichkeit als "Ladies' Whisky" bezeichnen, zeigte ihm die Führerin, eine flammend rothaarige Elfe namens Ellen, ohne Umschweife die Tür. Onkelchen ging, trank das Glas aber noch schnell leer. Da er auch das Glas eines ebenfalls mitgereisten slowakischen Supermodels leer trank, das ihren Ladies' Whisky zur Verfügung gestellt hatte, konnte Onkelchen die Distille in dem guten Gefühl verlassen, doch noch auf seine Prozente gekommen zu sein. Das folgende Bild zeigt die flammend rothaarige Elfe in der Bildmitte (leider nicht das slowakische Supermodel!).


Ach ja, und der ganze Keltenkram! Überall kann man CDs kaufen, die von irgendwelchen "celtic women" eingesungen wurden und auf denen der immergleiche klebrige Balladen-Schmus drauf ist. Manche dieser Sangesdamen quälen dabei noch unschuldige Instrumente wie die Harfe oder eine billige Blechflöte (die man, nur damit es marketingmäßig besser klingt, als "Tin Whistle" verscheuert). Und bei keiner der einschlägigen Touristenfallen darf sogenannter keltischer Silberschmuck fehlen, der irgendwelche angeblich keltischen Symbole und verschlungene Bänder zeigt. Diese keltische Dame  Heulboje singt sogar bei Wind und Wetter draußen im Freien ihre klagenden Balladen. Und natürlich gibt es unweit davon auch keltischen Silberschmuck zu kaufen...



Samstag, 17. August 2013

Gianni wird zum Leprechaun!

Kaum ist Onkelchen mit Tante Dilein im Ausland, fängt auch mein missratener Sohn Gianni Dona zu spinnen an. Er ist jetzt ein sogenannter Leprechaun, also eine Art neckischer irischer Kobold. Da er sonst nur Flausen im Köpfchen hat, passt das ja ganz gut. Nur hoffe ich, dass Onkelchen und Tante Dilein bald wieder heimkommen. Denn sonst wird mir das zu bunt!


Ein Irrer in Irland

Hallo, hier meldet sich zum ersten Mal Tante Dilein.
Onkelchen ist gerade auf einer Reise durch Irland, und ihm geschehen schon wieder die seltsamsten Sachen. Aber kurz ein paar Hintergrundinformationen:
Bei der letzten Fussballeuropameisterschaft hat Onkelchen das Spiel Irland gegen Spanien geschaut. Als die Iren 0:4 zurücklagen begannen die treuen irischen Fans auf einmal ein Irisches Lied zu singen. Das mit soviel Herz und Inbrunst, dass es im Stadion ganz ruhig wurde, auch die Reporter wurden still und hielten für  4 Minuten ihre Klappe. Das machte Onkelchen natürlich neugierig, und er lud sich "Fields of Athenry" runter. Mittlerweile ist das Lied sowas  wie die zweite irische Nationalhymne. In dem Lied geht es um den Abschied eines jungen Mannes von seiner Frau, er wird auf einem Sträflingsschiff nach Australien geschickt, da er während der großen Hungersnot Getreide für seine Familie gestohlen hatte. Auch heute hat das Lied, das so sehr auf die Unterdrückung durch die Briten verweist, immer noch ein wenig traurige Aktualität. Onkelchen hat er das Lied mittlerweile drauf, und als es heute im Bus gespielt wurde, sang er fleißig mit. Sehr zur Freude der Mitreisenden und des Reiseleiters. Er war also richtig in Irland angekommen, und als es heute nach dem Essen im Pub Musik und Tanz gab, sind wir, Onkelchen und ich, da natürlich auch hingegangen.

Hübsche irische Mädels tanzten nach Art von Riverdance und ein Barde mit Gitarre gab mit wohlklingender Baritonstimme  traditionelle  und moderne Lieder wieder. Auf einmal trat der Hotelchef an Onkelchen heran und forderte ihn auf, dass er jetzt dran sei, er hätte gehört, dass er Fields of Athenry singen könne. Er wurde als deutscher Gast angesagt und schwitzte Blut und Wasser, aber es hat geklappt. Er hat schön gesungen und das ganze Lokal ( zumindest die Iren ) sangen mit.

Großer Applaus war die Belohnung - und ein doppelter Whiskey vom Chef, auf den Schrecken hin.
Ich war auch sehr stolz auf ihn, denn soviel Mut hätte ich nicht aufgebracht. Hinterher, wusste er zwar gar nicht, wie ihm geschehen war, aber der Chef wollte ihn gleich für nächsten Freitag anheuern. Typisch Onkelchen eben....

Samstag, 10. August 2013

Zu Hilfe! Onkelchen verbreitet Irrlehren!



Onkelchen ist ein Fan steiler Thesen, die er ja zum Teil auch in diesem Blog veröffentlicht (wenn ich ihn lasse, hihi). Zum Beispiel: Peter Neururer wäre ein besserer Bundestrainer als Joachim Löw. Oder: Der natürliche Koalitionspartner der CDU/CSU unter Angela Merkel sind eigentlich die Grünen und nicht die FDP. Oder: In der heutigen Wegwerf-Ökonomie kann man den Leuten jeden Schrott verkaufen, wenn nur das Logo drauf hip genug ist. Oder: Windows Phone 8 ist in der Praxis das beste Smartphone-Betriebssystem.

Man könnte nun einwenden, dass Onkelchens Thesen, die ich hier wiedergegeben habe, in der Reihenfolge ihrer Erwähnung immer absurder werden. Allerdings ist Onkelchen nicht einer von jenen Menschen, die sich ihre Meinungen ausschließlich von „Spiegel online“ oder der „Süddeutschen“ ausborgen. Will sagen: Onkelchen schwätzt manchmal knallhart am Mainstream vorbei, aber er denkt sich in der Regel auch was dabei.

Zum Thema Neururer wäre zu sagen, dass von Joachim Löw auch bei seinem vierten Anlauf kein Titel zu erwarten sein dürfte. Dies belegt schon die Geschichte. Sepp Herberger und Jupp Derwall gewannen bereits bei ihrer ersten Turnierteilnahme als verantwortliche Nationaltrainer einen internationalen Titel. Helmut Schön, Franz Beckenbauer und Berti Vogts erreichten jeweils bei ihrem dritten Anlauf einen Titel. Das heißt zu Deutsch: Wer nicht spätestens bei der dritten Turnierteilnahme einen Titel gewinnt, holt auch nachher keinen mehr. Und zudem scheint Joachim Löws Kernkompetenz eher darin zu bestehen, den Fußball in Richtung Beauty und Lifestyle weiterzuentwickeln, ganz so, als würde er sich der guten alten deutschen (ja, jetzt verwende ich das Unwort auch mal) Rumpelfußball-Tradition schämen. Das Blöde ist halt, dass Deutschland mit dem guten alten Rumpelfußball drei WM- und drei EM-Titel geholt hat. Wenn ein Trainer aber stattdessen versucht, einen Mats Hummels, den noch Berti Vogts dankbar als Spielgestalter eingesetzt haben würde, zu einem Innenverteidiger umzupolen, dann weiß der außenstehende Betrachter, dass was schief läuft.  Ein Maik Franz im Abwehrzentrum wäre im EM-Halbfinale gegen Italien wahrscheinlich erfolgreicher gewesen.

Und dann kommen wir zu Neururer. Während Löw krampfhaft an einem System festhält, das er wahrscheinlich nur selber versteht und das von einem Ibrahimovic in Topform in Stücke geschossen wird, redet Neururer die Spieler stark und lässt darüber hinaus Standards üben. Denn er weiß halt aus dem Liga-Alltag, in dem er oft genug als Feuerwehrmann gegen den Abstieg kämpfte, dass man gelegentlich auch einen Drecks-Arbeitssieg braucht. Auch wenn die ästhetisch angehauchten Fußball-Feuilletonisten der „Süddeutschen Zeitung“ die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Über die Kompatibilität von Grünen und CDU möchte ich an dieser Stelle nicht allzu viele Worte verlieren. Während man die Sympathisanten der Grünen früher vor allem in der Hausbesetzer-Szene fand, so rekrutieren sich ihre Wähler heute hauptsächlich aus gut situierten, ja nachgerade spießigen Kreisen: Man ist ja eigentlich gegen die Klimaerwärmung, aber der Verkehr ist so gefährlich, deswegen muss man die lieben Kleinen im SUV zur Schule oder zur Ballettstunde bringen. Und da die Kanzlerin höchstselbst nach einer erstaunlichen Kehrtwende die Abkehr von der Kernenergie verkündet hat, gibt es eigentlich kein echtes Hindernis mehr für eine schwarzgrüne Koalition.

Der jüngst von den Grünen vorgeschlagene vegetarische Tag in den Kantinen ist durchaus katholiken- und CSU-kompatibel, denn schon Don Camillo fragte seinerzeit: "Heute ist Freitag. Habt ihr auch kein Fleisch auf dem Tisch?" Und die von Seehofer wieder mal auf den Tisch gebrachte Pkw-Maut kann eigentlich nur als ein verstecktes Koalitionsangebot an die Grünen gesehen werden.

Die dritte These ist absolut selbsterklärend. Als Onkelchen sie jüngst einer jungen Mutter einer Tochter im schulpflichtigen Alter vortrug, nickte diese seufzend. Es ist heute ja nicht mehr wichtig – vor allem auf dem Schulhof – ob Klamotten oder sonstige Produkte qualitativ gut sind, es ist völlig egal, ob sie unter unwürdigsten Bedingungen im Nahen oder Fernen Osten gefertigt werden. Wenn nur das richtige Logo drauf prangt, dann ist alles bestens. Onkelchen erinnert sich an eine Bekannte seiner Nichte, die vor ein paar Jahren voller Stolz erklärte, sie sei sogar extra nach London geflogen, weil sie nur dort Klamotten einer bei jungen sportlichen Menschen besonders angesagten US-Marke erwerben konnte. Inzwischen gibt es auch in Deutschland Shops, in denen es diese speziellen Klamotten zu kaufen gibt. Der Chef dieses Klamottenunternehmens hat jedoch ganz deutlich dargestellt, dass dicke Leute und Leute über 35 in diesen Shops nichts zu suchen haben. „OK“, denkt sich Onkelchen, „prima, auch recht, dann weiß ich woran ich bin“ und kauft bei Trigema ein, weil der Trigema-Chef Grupp in Deutschland produzieren lässt, weil es da Polohemden in 4XL gibt und weil man die Sachen über Jahre tragen kann, denn die Klamotten halten was aus und sind nicht nur Fetzen mit einem Logo drauf.

Eine noch viel schlimmere Irrlehre verbreitet Onkelchen, wenn er sagt, dass Windows Phone 8 das in der Praxis beste Smartphone-Betriebssystem sei. Das kann nun niemand verstehen, der vermeint, recht bei Groschen zu sein. Denn jeder weiß doch, dass ein Smartphone entweder einen Apfel auf dem Gehäuse haben oder zumindest von dem großen koreanischen Drei-Sterne-Konsortium stammen muss. Windows Phone, du liebe Zeit, das fasst doch keiner freiwillig an. In diesem Sinne schreiben viele Technikjournalisten und Blogger, die meist dem heiligen Apfel hörig sind.

Nun ist Onkelchen selber Technikjournalist und glaubt, sich eine fundierte eigene Meinung bilden zu können. Seit über einem halben Jahr hat er ein Windows-Phone-8-Handy von Nokia in Benutzung. Und obwohl gerade diese Kombination von vielen Wirtschafts- und Technik-Journos, die ganz verzweifelt hip sein wollen, nur Hohngelächter erntet – kann denn etwas, das von Losern wie Microsoft und Nokia kommt, überhaupt etwas taugen? – ist Onkelchen mit dem System sehr zufrieden. Das Gerät ist robust, für grobe Männerhände geeignet und verträgt schon mal den einen oder anderen Stoß. Als das Nokia mal zu Boden fiel, weil Onkelchen beim Staubsaugen gegen den Tisch stieß, auf dem das Handy lag, trug es nur einen minimalen Kratzer auf dem Display davon. Bei einem Apfelgerät wäre das Display im selben Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit hinüber gewesen. Und billiger als ein ähnlich ausgestatteter Apfel war Onkelchens Heavy-Duty-Gerät auch.

Mit dem koreanischen Drei-Sterne-Konsortium und Android hat Onkelchen ganz spezielle Erfahrungen gemacht, und das waren nicht die besten. Sein Galaxy S war nach dem Update auf die offizielle Version 2.3 des Android-Betriebssystems (vulgo „Gingerbread“) praktisch nicht mehr brauchbar, da sich nach dem Update übelste Abstürze einschlichen, die nur durch Herausnehmen und Wiedereinsetzen des Akkus und darauffolgendes Neustarten des Geräts zu beheben waren. Ein Einspielen der Vorversion war auch keine echte Option, da unter 2.2 (vulgo „Froyo“) die Restladung des Akkus nur sehr unzuverlässig angezeigt wurde. Dass Software nicht unbedingt die Kernkompetenz des koreanischen Konzerns zu sein scheint, wurde dadurch deutlich, dass auch beim Nachfolgegerät so das eine oder andere Problem vorhanden war. Das zumindest steckte Onkelchen ein Bekannter, der in einem Elektromarkt arbeitet und daher die Kundenreaktionen hautnah mitbekommt. Im Vergleich dazu ist Windows Phone 8 traumhaft stabil.

Nicht zuletzt ist sich Onkelchen bei seiner Einschätzung von Windows Phone 8 mit der englischen Technologieseite „The Register“ einig, die absolut nicht im Verdacht steht, mit Microsoft in irgendeiner Form zu sympathisieren. Denn, so höret nun:

Thus spake Andrew Orlowski (The Register): “Windows Phone 8, Redmond's operating system for mobiles, is truly a jewel, and by contrast to Windows 8 desktop, it is well liked by its users.“ (zu Deutsch: Windows Phone 8, Redmond’s Betriebssystem für Handys, ist ein wahres Juwel, und im Gegensatz zu dem Windows-8-Desktop wird es von seinen Anwendern sehr geschätzt.”)

Donnerstag, 1. August 2013

„Rumpelfußball“ ist eine verbale Blutgrätsche



Kürzlich geriet Onkelchen ins Sinnieren. Er sah es als wahrhaft inspirierend an, dass er in einem Biergarten der bayerischen Hauptstadt saß, während Pep Guardiola nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt am Fußball der Zukunft bastelte. Blöderweise vertraute er diesen Gedanken einem sozialen Zwitscher-Netzwerk an. Denn kurz darauf meldete sich ein anderer Teilnehmer des besagten Zwitscher-Netzwerks, der um Onkelchens Leidenschaft für den HSV wußte. Und so neckte der andere Teilnehmer mein Onkelchen mit der Zeile „… und 800 km entfernt verzweifelt Thorsten Fink am Rumpelfussball des HSV.“

Das saß natürlich. Angesichts der momentanen Verfassung des HSV und seiner Testspiel-Ergebnisse ist es wieder einmal höchst zweifelhaft, ob die Rothosen ihrer 50. Bundesliga-Saison eine weitere hinzufügen dürfen. Aber nach dem ersten Ärger drängte sich eine wichtigere Frage in Onkelchens Gemüt, das zu diesem Zeitpunkt schon in dunklem Weißbier badete. Warum zum Teufel spricht jeder dahergelaufene selbsternannte sogenannte Experte (und besonders oft die "Süddeutsche Zeitung", die ein Abo auf dieses Wort zu haben scheint) von Rumpelfußball, wenn es darum geht, die Spielweise einer bestimmten Fußballmannschaft herabzuwürdigen? Und noch wichtiger, noch fundamentaler: Was ist eigentlich Rumpelfußball?

Onkelchen hat nun nicht versucht, die Entstehungsgeschichte des Begriffes „Rumpelfußball“ zu ergründen. Ihn wunderte auf jeden Fall, dass der ihm persönlich bekannte Zwitscher-Netzwerk-Teilnehmer – ein Bayern-Fan - das Wort überhaupt verwendet hatte. Denn der Begriff war aus seiner Sicht eher bei den Leuten beheimatet, die dem Fußball von Borussia Mönchengladbach der Netzer-Ära nachtrauern und nicht so sehr bei gestandenen Bayern-Anhängern. Wie man weiß, sind sich die Bayern in der Vergangenheit nicht zu fein gewesen, dann und wann zu ihrem sprichwörtlichen Dusel Zuflucht zu nehmen (die letzte Saison war die rühmliche Ausnahme). Dagegen hat es nach der Selbsteinschätzung mancher Gladbach-Romantiker in deren goldender Ära so etwas wie dreckige Arbeitssiege niemals gegeben. Immer kam Netzer aus der Tiefe des Raumes mit wehendem Goldhaar, um den Ball zu streicheln und dem Spiel die entscheidende Wendung zu geben. Dass es zu dieser Zeit bei Gladbach auch einen Berti Vogts gab, wird von diesen Romantikern ja oft schamhaft verschwiegen. 

Nur bringt uns das nicht weiter. Der Kern des Rumpelfußballs liegt immer noch vor uns wie ein ungeöffnetes Ü-Ei. Ganz sicher ist allerdings, dass es sich beim Rumpelfußball um ein sehr deutsches Phänomen handeln muss – andere Nationen haben dafür so wenig ein Wort wie für andere sehr deutsche Phänomene wie Weltschmerz oder Blitzkrieg. Mag also sein, dass diesem Begriff noch eine strahlende internationale Karriere bevorsteht.

Das zentrale Problem des Begriffes „Rumpelfußball“ ist seine Unschärfe. Was rumpelt denn beim Fußballspiel? Ein Zug rumpelt über Weichen, ein Jumbo rumpelt zur Startbahn. Rumpeln könnte man als dumpfes Klopfgeräusch definieren, das mit einer schwerfällig-ungelenken Bewegung einhergeht. Vielleicht liegt darin ein Hinweis. Rumpelfußball könnte also ein Ausdruck dafür sein, dass die Spielweise einer Mannschaft ungelenk und schwerfällig wirkt, dass vielleicht auch überdurchschnittlich oft Spieler im Zweikampf oder bei Kopfballduellen zusammenrumpeln. Ein dumpfes Klopfgeräusch kann hierbei ja durchaus auftreten.

Wenn dem so wäre, dann müsste man aber vermutlich 99,5 Prozent allen Fußballs als Rumpelfußball qualifizieren. Onkelchen weiß wovon er redet, schließlich war er sechs Jahre lang am Wochenende als Sportreporter eines obskuren und längst vergessenen Lokalsenders auf den zugigen Plätzen unterklassiger Fußballvereine unterwegs. Oft lief bei den Spielen nicht viel zusammen, durchdachte Spielzüge waren Mangelware, erfolgversprechende Angriffe oft Zufallsprodukte. Und doch wäre Onkelchen nie darauf gekommen, das Gebotene als Rumpelfußball abzuqualifizieren. Lieber suchte er Zuflucht bei einem Ausdruck, den Marcel Reif immer zu benutzen pflegte, wenn er einen besonders robusten Abwehrspieler charakterisierte: „Dem ist nichts Menschliches fremd“. Schließlich musste sich Onkelchen ja auch auf dem Fußballplatz der entsprechenden Mannschaften wieder sehen lassen können.

Nein, der Begriff Rumpelfußball wird ja in der Praxis oft verwendet, um eine ganz bestimmte, sehr deutsche Spielweise abzuqualifizieren. Stellvertretend werden dafür die achtziger Jahre unter Derwall und dem frühen Beckenbauer genannt, in denen die deutsche Nationalmannschaft einen defensiv- und zweikampfbetonten Stil pflegte und taktische Feinheiten geflissentlich ignorierte. Es war die Zeit der Manndecker wie Karl-Heinz und Bernd Förster, der Briegels und anderer, denen außerhalb Deutschlands der Ruf kompromissloser Knochenbrecher voranging. Fußballerisch feinsinnigere Teams wie Frankreich wurden in diesen Jahren gnadenlos niedergewalzt. Besonders das WM-Halbfinale 1982 blieb jenseits des Rheins in unguter Erinnerung.

Aber war das Rumpelfußball? Immerhin fanden sich mit Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Fischer, Lothar Matthäus (ja, auch der!), später auch Felix Magath und Rudi Völler einige der unbestritten besten Fußballspieler jener Zeit in den Reihen der Deutschen. Auch Manni Kaltz sollte hier nicht unerwähnt bleiben, war er doch der Prototyp des modernen Außenverteidigers. Und seine Bananenflanken sind auch heute noch unvergessen.

Ja, es war viel Kampf dabei. Aber war das Rumpelfußball? War es Rumpelfußball, als die Deutschen in Japan und Südkorea 2002 ins Finale einzogen und den Brasilianern lange Paroli boten? War es 1974 Rumpelfußball, als die Deutschen den totalen Fußball der Niederlande entzauberten (wobei ihnen sicherlich die Tatsache zu Hilfe kam, dass sie bei der WM Heimrecht hatten)?

Nein, denn dazu ist der Begriff Rumpelfußball zu unkonkret. Wer an einer Spielweise etwas auszusetzen hat, kann das ja durchaus benennen. Früher sprach man von einem rustikalen Stil, wenn man sagen wollte, dass ein Team in der Defensive gut zulangte. Spielte eine Mannschaft grottig und unter ihrem sonstigen Potenzial, dann attestierte man ihr Kreisklasse-Niveau. Beobachtete man taktische Defizite, dann sprach man das an. Wir haben also die Ausdrucksmöglichkeiten, um Defizite und Desiderate im Fußball klar anzusprechen. Wer aber vom Rumpelfußball spricht, dem geht es nicht um die Diskussion. Wer den Rumpelfußball in den Mund nimmt oder zu Papier bringt, will verletzen. Der Rumpelfußball ist also das verbale Äquivalent einer Blutgrätsche und sollte entsprechend bestraft werden!