Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Donnerstag, 1. August 2013

„Rumpelfußball“ ist eine verbale Blutgrätsche



Kürzlich geriet Onkelchen ins Sinnieren. Er sah es als wahrhaft inspirierend an, dass er in einem Biergarten der bayerischen Hauptstadt saß, während Pep Guardiola nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt am Fußball der Zukunft bastelte. Blöderweise vertraute er diesen Gedanken einem sozialen Zwitscher-Netzwerk an. Denn kurz darauf meldete sich ein anderer Teilnehmer des besagten Zwitscher-Netzwerks, der um Onkelchens Leidenschaft für den HSV wußte. Und so neckte der andere Teilnehmer mein Onkelchen mit der Zeile „… und 800 km entfernt verzweifelt Thorsten Fink am Rumpelfussball des HSV.“

Das saß natürlich. Angesichts der momentanen Verfassung des HSV und seiner Testspiel-Ergebnisse ist es wieder einmal höchst zweifelhaft, ob die Rothosen ihrer 50. Bundesliga-Saison eine weitere hinzufügen dürfen. Aber nach dem ersten Ärger drängte sich eine wichtigere Frage in Onkelchens Gemüt, das zu diesem Zeitpunkt schon in dunklem Weißbier badete. Warum zum Teufel spricht jeder dahergelaufene selbsternannte sogenannte Experte (und besonders oft die "Süddeutsche Zeitung", die ein Abo auf dieses Wort zu haben scheint) von Rumpelfußball, wenn es darum geht, die Spielweise einer bestimmten Fußballmannschaft herabzuwürdigen? Und noch wichtiger, noch fundamentaler: Was ist eigentlich Rumpelfußball?

Onkelchen hat nun nicht versucht, die Entstehungsgeschichte des Begriffes „Rumpelfußball“ zu ergründen. Ihn wunderte auf jeden Fall, dass der ihm persönlich bekannte Zwitscher-Netzwerk-Teilnehmer – ein Bayern-Fan - das Wort überhaupt verwendet hatte. Denn der Begriff war aus seiner Sicht eher bei den Leuten beheimatet, die dem Fußball von Borussia Mönchengladbach der Netzer-Ära nachtrauern und nicht so sehr bei gestandenen Bayern-Anhängern. Wie man weiß, sind sich die Bayern in der Vergangenheit nicht zu fein gewesen, dann und wann zu ihrem sprichwörtlichen Dusel Zuflucht zu nehmen (die letzte Saison war die rühmliche Ausnahme). Dagegen hat es nach der Selbsteinschätzung mancher Gladbach-Romantiker in deren goldender Ära so etwas wie dreckige Arbeitssiege niemals gegeben. Immer kam Netzer aus der Tiefe des Raumes mit wehendem Goldhaar, um den Ball zu streicheln und dem Spiel die entscheidende Wendung zu geben. Dass es zu dieser Zeit bei Gladbach auch einen Berti Vogts gab, wird von diesen Romantikern ja oft schamhaft verschwiegen. 

Nur bringt uns das nicht weiter. Der Kern des Rumpelfußballs liegt immer noch vor uns wie ein ungeöffnetes Ü-Ei. Ganz sicher ist allerdings, dass es sich beim Rumpelfußball um ein sehr deutsches Phänomen handeln muss – andere Nationen haben dafür so wenig ein Wort wie für andere sehr deutsche Phänomene wie Weltschmerz oder Blitzkrieg. Mag also sein, dass diesem Begriff noch eine strahlende internationale Karriere bevorsteht.

Das zentrale Problem des Begriffes „Rumpelfußball“ ist seine Unschärfe. Was rumpelt denn beim Fußballspiel? Ein Zug rumpelt über Weichen, ein Jumbo rumpelt zur Startbahn. Rumpeln könnte man als dumpfes Klopfgeräusch definieren, das mit einer schwerfällig-ungelenken Bewegung einhergeht. Vielleicht liegt darin ein Hinweis. Rumpelfußball könnte also ein Ausdruck dafür sein, dass die Spielweise einer Mannschaft ungelenk und schwerfällig wirkt, dass vielleicht auch überdurchschnittlich oft Spieler im Zweikampf oder bei Kopfballduellen zusammenrumpeln. Ein dumpfes Klopfgeräusch kann hierbei ja durchaus auftreten.

Wenn dem so wäre, dann müsste man aber vermutlich 99,5 Prozent allen Fußballs als Rumpelfußball qualifizieren. Onkelchen weiß wovon er redet, schließlich war er sechs Jahre lang am Wochenende als Sportreporter eines obskuren und längst vergessenen Lokalsenders auf den zugigen Plätzen unterklassiger Fußballvereine unterwegs. Oft lief bei den Spielen nicht viel zusammen, durchdachte Spielzüge waren Mangelware, erfolgversprechende Angriffe oft Zufallsprodukte. Und doch wäre Onkelchen nie darauf gekommen, das Gebotene als Rumpelfußball abzuqualifizieren. Lieber suchte er Zuflucht bei einem Ausdruck, den Marcel Reif immer zu benutzen pflegte, wenn er einen besonders robusten Abwehrspieler charakterisierte: „Dem ist nichts Menschliches fremd“. Schließlich musste sich Onkelchen ja auch auf dem Fußballplatz der entsprechenden Mannschaften wieder sehen lassen können.

Nein, der Begriff Rumpelfußball wird ja in der Praxis oft verwendet, um eine ganz bestimmte, sehr deutsche Spielweise abzuqualifizieren. Stellvertretend werden dafür die achtziger Jahre unter Derwall und dem frühen Beckenbauer genannt, in denen die deutsche Nationalmannschaft einen defensiv- und zweikampfbetonten Stil pflegte und taktische Feinheiten geflissentlich ignorierte. Es war die Zeit der Manndecker wie Karl-Heinz und Bernd Förster, der Briegels und anderer, denen außerhalb Deutschlands der Ruf kompromissloser Knochenbrecher voranging. Fußballerisch feinsinnigere Teams wie Frankreich wurden in diesen Jahren gnadenlos niedergewalzt. Besonders das WM-Halbfinale 1982 blieb jenseits des Rheins in unguter Erinnerung.

Aber war das Rumpelfußball? Immerhin fanden sich mit Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Fischer, Lothar Matthäus (ja, auch der!), später auch Felix Magath und Rudi Völler einige der unbestritten besten Fußballspieler jener Zeit in den Reihen der Deutschen. Auch Manni Kaltz sollte hier nicht unerwähnt bleiben, war er doch der Prototyp des modernen Außenverteidigers. Und seine Bananenflanken sind auch heute noch unvergessen.

Ja, es war viel Kampf dabei. Aber war das Rumpelfußball? War es Rumpelfußball, als die Deutschen in Japan und Südkorea 2002 ins Finale einzogen und den Brasilianern lange Paroli boten? War es 1974 Rumpelfußball, als die Deutschen den totalen Fußball der Niederlande entzauberten (wobei ihnen sicherlich die Tatsache zu Hilfe kam, dass sie bei der WM Heimrecht hatten)?

Nein, denn dazu ist der Begriff Rumpelfußball zu unkonkret. Wer an einer Spielweise etwas auszusetzen hat, kann das ja durchaus benennen. Früher sprach man von einem rustikalen Stil, wenn man sagen wollte, dass ein Team in der Defensive gut zulangte. Spielte eine Mannschaft grottig und unter ihrem sonstigen Potenzial, dann attestierte man ihr Kreisklasse-Niveau. Beobachtete man taktische Defizite, dann sprach man das an. Wir haben also die Ausdrucksmöglichkeiten, um Defizite und Desiderate im Fußball klar anzusprechen. Wer aber vom Rumpelfußball spricht, dem geht es nicht um die Diskussion. Wer den Rumpelfußball in den Mund nimmt oder zu Papier bringt, will verletzen. Der Rumpelfußball ist also das verbale Äquivalent einer Blutgrätsche und sollte entsprechend bestraft werden!         





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