Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Samstag, 11. Januar 2014

Von Hornbrillen und Puffärmeln

Ich weiß nicht, ob es aus diesem Blog bisher klar hervorgegangen ist, aber Onkelchen ist ein eher altmodischer Mensch. Schon seine Körperform hat etwas eher Barockes. Wen wundert es da, dass er über manche aktuellen Trends nur den Kopf zu schütteln vermag. Nicht verstehen kann er zum Beispiel, dass überdimensionierte Hornbrillen für einen Teil der Menschheit heute das ultimative Accessoire darzustellen scheinen. Das hat damit zu tun, dass er schon seit seiner Kindheit Brillenträger ist und die Optiker der damaligen Zeit stets vermeinten, Onkelchen eine große dunkle Hornbrille verpassen zu müssen. Als Onkelchen kleiner war, ließ er sich das ja noch gefallen. Aber später hatte er immer das Gefühl, ihm sitze ein großer dunkler Schmetterling auf der Nase. Schließlich kam eines Tages die Erlösung in Form eines scharf geschossenen Tennisballs auf dem Pausenhof. Die Jungs kickten damals mit Tennisbällen, einer flog Onkelchen direkt ins Gesicht und flugs war die ungeliebte Hornbrille zerdeppert. Fortan setzte Onkelchen auf Brillen mit Metallrahmen, und sein größtes Glück war es, als er vor ein paar Jahren endlich mal eine komplett randlose Brille bekam. Kein blödes Gestänge mehr im Gesicht!

Wenn ich einleitend gesagt habe, Onkelchen sei altmodisch, so muss zusätzlich noch erwähnt werden, dass er bestimmten technischen Neuerungen durchaus aufgeschlossen gegenübersteht. Insofern ist es kein Widerspruch, dass er sich am Ziel seiner Wünsche wähnte, als die optische Technologie so weit entwickelt war, dass sie randlose Brillen in seiner nicht ganz unkomplizierten Gläserstärke anbieten konnte. Onkelchen ist zwar kein Glasbaustein-Typ, aber da er zwei Augen mit ziemlich unterschiedlicher Sehstärke hat, ist das bei randlosen Brillen nicht ganz einfach hinzukriegen. Dass viele Leute trotzdem wieder auf Hornbrillen setzen, ist für ihn, als würde man den CD-Player oder iPod rausschmeißen und gegen ein Grammophon eintauschen, das nur Schellackplatten abspielen kann.

Darüber hinaus ist Onkelchen auch der Meinung, dass sich der technische Fortschritt in den letzten Jahren, nun sagen wir, etwas verzettelt hat. Sehr gerne würde er manche Leute, die zum Beispiel an noch kleineren und leichteren Smartphones arbeiten, am Schlafittchen packen und ihnen sagen: Hör mal her, lass mal deine Armbanduhr mit eingebautem Telefon liegen und mach dich lieber mal an den Fusionsreaktor, das Beamen oder den Warp-Antrieb! Wäre die Welt quasi ein großes Civilization-Spiel und Onkelchen der Chef vom Ganzen, dann würde er den Technologiebaum mal etwas frisieren. Nutzlose Zeitfresser wie Meinraum und Fratzenbuch würde er noch etwas hinausschieben und dafür wie gesagt die Entwicklung des Warp-Antriebs priorisieren. First things first!

Onkelchen ist auch insofern altmodisch, als er alles liebt, was mit Geschichte zu tun hat. Burgen und Ruinen üben eine nachgerade magnetische Anziehungskraft auf ihn aus, genauso wie alte Kirchen, am besten noch mit tiefen und finsteren Grüften. Zudem liebt er Sagen, ganz besonders wenn darin anämische Mägdlein vorkommen, die vor Jahrhunderten ein greuliches Ende gefunden haben und seitdem in Burgen und Schlössern herumspuken. Onkelchen findet das romantisch. Bei vielen Leuten, die glauben, auf der Höhe der Zeit zu sein, dürfte dies allerdings für die eine oder andere hochgezogene Augenbraue sorgen.

Gleichzeitig kommt Onkelchen nicht umhin, bei einigen dieser Leute eine gewisse Geschichtsvergessenheit zu diagnostizieren. Glücklicherweise haben die meisten dieser Leute wenigstens noch ein diffuses Wissen darüber, dass es mal einen Typen namens Hitler gab und dieser nicht unbedingt sympathisch war. Aber abgesehen davon herrscht oft Leere - glücklicherweise nicht immer, aber doch immer öfter.

Anders als mit eklatanter Geschichtsvergessenheit kann es nämlich nicht zu erklären sein, dass zum Beispiel ein Typ zum besten Bond-Darsteller seit Sean Connery hochgejubelt wird, der (ganz besonders im unrasierten Zustand) so aussieht wie ein blonder deutscher U-Boot-Skipper aus dem Zweiten Weltkrieg. Da wäre Bond-Erfinder Ian Fleming ganz bestimmt "not amused" gewesen. Es ist nämlich überliefert, dass Fleming sich seinen Agenten vom Typ her eher wie Cary Grant vorgestellt hat und Sean Connery zuerst für zu proletenhaft hielt. Desmond Llewelyn, der langjährige Darsteller des Major Boothroyd, der bis 1999 aus kaum einem Bondfilm wegzudenken war, soll zudem mal sinngemäß gesagt haben, ausgerechnet Timothy Dalton sei derjenige Darsteller gewesen, der der literarischen Vorlage am nächsten gekommen sei (Onkelchens Favorit ist Roger Moore!).

Nun könnte man natürlich fragen, was es denn bringt, sich in der Geschichte auszukennen. Onkelchen sagt dazu: Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wohin er geht. Und wer nicht aus der Geschichte lernt, der ist gezwungen, sie von neuem zu durchleben. "Historia magistra vitae", sagt er manchmal auch noch. Und grinst dabei.

Die aktuelle Geschichtsvergessenheit hat aber auch damit zu tun, dass sogenannte historische Dokumentationen im TV kaum mehr gesichertes Wissen von Archäologen und Historikern vermitteln. Stattdessen gibt's in vielen dieser sogenannten Dokus größtenteils Spielszenen zu sehen, in denen Schlüsselmomente der Geschichte nachgestellt werden. Da es sich dabei meist um historische Morde handelt, nehmen sich diese Dokus oft wie "XY ungelöst" mit Puffärmeln aus. Und je weiter das Geschehnis zeitlich zurückliegt, das die angebliche Doku zu vermitteln meint, desto mehr setzen die Produzenten auf solche Spielszenen. Hin und wieder darf natürlich mal ein/e Historiker/in was sagen, aber bloß nicht zu lange und nicht zu viel, der Zuschauer rutscht schon ungeduldig auf dem Sofa herum, bloß schnell weitermachen mit dem Kostümfilm.

Das schafft Probleme. Denn solche Spielszenen suggerieren auch da gesichertes Wissen, wo die Quellenlage möglicherweise nicht ganz so eindeutig ist. Offene Fragen, die es ja gerade bei weit zurückliegenden Ereignissen gibt, werden zugekleistert. Und was dazu kommt: Zum Teil vergreifen sich die Produzenten solcher gespielter historischer Szenen (es lebe der Genitiv!) im Fundus. So war unlängst eine vierteilige Doku über die einflussreiche florentinische Familie der Medici auf Phoenix zu sehen. Das scheint zwar öffentlich-rechtliche Qualität zu garantieren, zeitigt aber gelegentlich auch komische Effekte. Eine Szene zeigte die sogenannte Pazzi-Verschwörung, einen Schlüsselmoment in der Geschichte der Medici. Am Ostersonntag 1478 wollte die konkurrierende Familie Pazzi die beiden Medici-Brüder Lorenzo und Giuliano finsterlings ermeucheln. Bei dem jüngeren Bruder Giuliano klappte das auch, Lorenzo konnte sich retten. Interessant auch, dass der Anschlag zumindest indirekt vom damaligen Papst Sixtus IV. gebilligt worden zu sein schneint, weil der zu diesem Zeitpunkt ziemlich bei den Medici in der Kreide stand.

Was musste nun Onkelchen sehen? An dem Meuchelmord beteiligte sich in der Spielszene auch ein Priester in einem Messgewand, auf das in großen Buchstaben das Christusmonogramm "IHS" gestickt war. Dieses Christusmonogramm wurde allerdings erst im 16. Jahrhundert durch die Jesuitenmission in der Gegenreformation popularisiert. Ein klassisches anachronistisches Eigentor, und das in einer sogenannten Doku! Aber wenn genug Puffärmel zu sehen sind, nimmt es der Zuschauer wohl gelassen hin. O tempora, o mores!  

Wie sieht es eigentlich mit Ihrer ganz persönlichen Geschichtsvergessenheit aus? Würden Sie (ohne zu googeln! Eine andere Suchmaschine gilt natürlich auch nicht!) sagen können, wie lang der Siebenjährige Krieg gedauert hat?

(OK, das war leicht! Aber könnten Sie auch die Jahreszahlen angeben, wann der Siebenjährige Krieg begann und wann er endete? Na sehen Sie!)
1756 - 1763
  

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