Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 1. Juni 2014

Onkelchen, der Schwatte und Mamma Koslowski

Es gibt Menschen, die im Ruhrgebiet nicht begraben sein möchten. Ein ehemaliger Kollege von Onkelchen, ein g’standenes Münchner Mannsbild, gestand einmal, er fühle mehr Gemeinsamkeiten mit den Österreichern als mit den Westdeutschen. Die Österreicher seien doch so viel kultivierter als die Ruhrgebietler, meinte er, und redete einer Abnabelung des Freistaates Bayern vom Rest Deutschlands das Wort. An die Stelle der lieblosen Zweckehe Bayerns mit der übrigen Bundesrepublik solle eine Liebesheirat des Freistaats mit Österreich einschließlich Südtirols treten. Onkelchen nickte jedesmal, wenn sein damaliger Kollege solche steilen Thesen vertrat. Nicht weil er zugestimmt hätte, sondern weil er sich dem zweifelsfrei zu erwartenden Münchner Grant nicht aussetzen wollte, wenn er denn zu Widerworten ansetzte. Eine Union aus Bayern, Österreich und eventuell Südtirol würde zumindest dazu führen, dass der FC Schalke 04 wenigstens mal wieder Chancen auf die deutsche Meisterschaft hätte.

Was hat das nun mit Onkelchen zu tun? Nun, er ist ein gar nicht mal so heimlicher Fan des Ruhrgebiets. Es hing mit Jürgen von Mangers Verkörperung des ewigen Ruhrpottlers Adolf Tegtmeier zusammen, dass Onkelchen sich das Revier so ein bisschen wie das Gelobte Land vorstellt, na ja gut, etwas grauer vielleicht. Für Onkelchens Mutter war Jürgen von Manger ein rotes Tuch. Sie konnte den Charakterdarsteller mit der gedehnten Sprache („da hab ich sie jesääääächt…“) nicht ausstehen. Onkelchen sah das anders. Für ihn war es ein früher Ausdruck seines Revoluzzergeistes, Tegtmeier gucken zu können.

Vor allem wohl auch wegen des trockenen Humors von Jürgen von Manger. In einer Folge von „Tegtmeiers Reisen“, so erinnerte er sich an einen kurzen Ausschnitt, den er trotz der TV-Zensur seiner Mutter erhaschen konnte, besuchte Jürgen von Manger seinerzeit mal Schottland und stellte sich an das Ufer von Loch Ness. Er sagte irgendetwas über Nessie, das Ungeheuer, das jenem trüben See angeblich innewohnt, machte dann eine Kunstpause und fragte scheinheilig: „Woll’n Se mal gucken?“ Aus Onkelchens Sicht war das der lustigste Witz der Weltgeschichte. Vielleicht lag es daran, dass von Manger nicht ganz so behäbig rüberkam – oder vielleicht auf eine andere Weise behäbig war wie die sonstigen TV-Unterhalter, die man auf den paar Kanälen zu sehen bekam, die man damals hatte (Man hatte ja nix.). Gelacht werden durfte nur beim Komödienstadl, denn auch Otto war tabu. Jürgen von Manger war da schon fast mit dem Blick in ein anderes Universum gleichzusetzen, einem Universum, das keine Krachledernen und keine Zither- und keine Blasmusik kannte und in dem es keinen Einrichtungsgegenstand namens Petra Schürmann gab.

Wahrscheinlich hat Onkelchen aus diesem Grund das Ruhrgebiet immer romantisiert. Seinen ersten Abstecher dorthin machte er allerdings erst letzte Woche, und zwar mit dem Chor, zu dem ihn Tante Dilein alle vier Wochen hinschleppt. Ein aus Essen gebürtiges Chormitglied hatte den Kontakt zu zwei Chören in Essen und Solingen organisiert (gut, Solingen ist technisch gesehen kein Teil des Ruhrgebiets, sondern des Bergischen Landes, aber lasst uns hier nicht allzu kleinlich sein), und so schaukelten die sangesfrohen Schwaben am frühen Morgen des 1. Mai in Richtung Rhein und Ruhr.

Neben den zwei Konzerten, über die ich hiermit den Mantel des Schweigens breiten will, weil sie nicht sehr gut besucht waren, wurden Onkelchen und seine Sangesfreunde in Essen auch über das weitläufige Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein geführt. Onkelchen war natürlich kurz davor, in Hymnen über die wackeren Bergleute auszubrechen, die unter Tage das schwarze Gold gewannen und in ihrer kargen Freizeit Tauben züchteten und Fußball spielten, für diese Helden, die so spielten, wie sie malochten, und die so malochten, wie sie spielten. Und dann erzählte ein ehemaliger Bergmann von der Zeit, als die Schlote rauchten und die Presslufthämmer unter Tage hämmerten  und die Zeit von damals wurde lebendig: Hömma, da war der Schwatte von nebenan, und mit dem ging man inne Kneipe, nicht wahr, getz, aber dann kam man bei Koslowskis vorbei, und Mamma Koslowski hatte noch ein paar Kartoffeln über, und dafür trug man ihr einen Eimer Kohlen (was auch sonst) aus dem Keller hoch.

Der ehemalige Bergmann erzählte von den Tauben, die man damals züchtete, weil die Vögel im Gegensatz zu dem Menschen zumindest die Chance hatten, so etwas wie Licht und Freiheit er erleben. Und vom Fußball, damals 1946, noch vor der Währung. Damals spielten die Sportfreunde Katernberg (der Verein, bei dem auch Helmut Rahn das Fußballspielen erlernte) gegen Schalke 04. Mehr als 20.000 Leute wollten das Spiel sehen, und das auf einem Fußballplatz, auf dem sonst maximal fünf-bis siebentausende Leute Platz fanden. Also stellten sich die Zuschauer auf den Bahndamm der Köln-Mindener Eisenbahn, die an dem Sportplatz vorbeiführte. Davon bekam aber die Bahnpolizei bald Wind. Die Beamten gingen zu den Zuschauern und forderten die Menge auf, den Bahndamm zu räumen. Die gaben zurück: „In zwei Stunden kommt ihr wieder!“ An diesem Tag hatten die Kohlenzüge erhebliche Verspätung.
   
Schalkedortmundduisburgbochumwattenscheidrotweißessenoberhausen. Und Westfalia Herne. Aber Onkelchen hatte Westfalia Herne mit einem Fluch belegt, denn aus Herne kam Andrea Jürgens, und wenn die Heulboje aus Herne im Fernsehen ihr Scheidungskinderlied „Und dabei liebe ich euch beide“ jammerte, rannte Onkelchen schreiend aus dem Zimmer.


Irgendwo muss die Sympathie mit dem Ruhrpott ja ein Ende haben.

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