Ich und die Meinen

Ich und die Meinen

Herzlich willkommen!

So, das bin ich! Ich bin Kurt Palfi. Ich habe mir gedacht, jetzt muss mal ein neues Foto her. Leider hat Onkelchen ein Nacktfoto von mir hochgeladen. Aber ich sehe doch noch recht proper aus!
Wir (das sind ich, mein missratener Sohn Gianni Dona und Onkelchen, der alles für uns tippt) lästern in diesem Blog über alles, was gerade anfällt: Fußball, Politik, Film und Fernsehen, alles Mögliche. Viel Spaß!

Sonntag, 29. April 2012

Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen? (Hiob 3,20 ff, auch Brahms)



Kultur und Onkelchen haben ungefähr soviel miteinander zu tun wie Kaviar und Zwetschgenmus: Man könnte sich zwar rein theoretisch ein Universum denken, in dem beides irgendwie miteinander zusammengeht, aber so recht vorstellen möchte man sich das nicht. Deswegen ist er nicht dort, wo Kultur stattfindet, und Kultur ist nicht dort, wo Onkelchen ist. Das ist so ein bisschen wie ein Paar, das sich geeinigt hat, einander aus dem Weg zu gehen und das sich auf diese Weise eigentlich ganz gut eingerichtet hat.
Nur heute nicht. Da musste Onkelchen doch tatsächlich ins Theater, weil Tante Dilein eine Dauerkarte für zwei für den Aalener Theaterring gekauft hat. Normalerweise geht sie da mit Freundinnen und Bekanntinnen hin und verbringt mit denen einfach einen schönen Abend unter Mädels. Onkelchen fehlt da nichts, denn er hat ja mich!
Aber zurück zum Theater. Auf dem Spielplan stand ein Stück namens "Chorprobe", und darunter kann man sich ja alles Mögliche vorstellen. Von einer absurden Komödie über ein scharf beobachtetes satirisches Stück bis hin zu einem Psychothriller. "Chorprobe" ist ein Platzhalter, der für alles Mögliche stehen kann. 
Was herauskam, war eine abgedrehte Komödie, die mit allen Klischees spielt, die jeder kennt, der schon mal in einem Chor mitgesungen hat oder auch nur eine Chorprobe miterlebt hat. Der zauselige Typ, der immer zu spät kommt und die Singstunde ständig unterbricht, weil er aufs Klo muss. Der geckenhafte Tenor, der sich stets in den Vordergrund spielt, ganz nach dem Motto: "Pavarotti ist tot, Carreras hat Fieber, Domingo ist in Rente, aber ich bin da!" (Tante Dilein kennt einen dieser Typen besser, als ihr lieb ist!) Die alte Jungfer, die den Dirigenten anhimmelt, aber in jeder Probe einpennt. Und die Sopranistin, die ständig strickt. Den Dirigenten, den die von Chor erzeugten Kakophonien an den Rand des Wahnsinns bringen und der stets mit dem Gedanken spielt, den Bettel endgültig hinzuschmeißen. Die Träume vom Durchbruch, einer Chorreise ins Ausland und einem Fernsehauftritt. Und absurde moderne Stücke à la "Hurz", im Stück beispielhaft dargeboten durch das Stück "Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen" (eigentlich Hiob, aber auch Brahms). 
Insgesamt war es ein sehr vergnüglicher Abend, auch wenn das Stück anfangs etwas schwer aus den Startlöchern kam. Der einleitende Teil, bis schließlich alle Akteure auf der Bühne waren, geriet etwas langatmig. Und einige der Gags im einführenden Teil waren doch eher Rohrkrepierer. Wenn aber der Dirigent (er heißt mit bürgerlichem Namen Werner Weber, gespielt von Karl-Heinz Kraehkamp) gegen Ende des ersten Aktes allen Sangesfreunden einen Korken in den Mund steckt, um deren Artikulation zu verbessern, und der zauselige Typ seinen Korken zu verschlucken scheint, dann bekommt die Sache Fahrt. Und in den Zugaben wurde schließlich das ganze Repertiore des nur aus vier Personen bestehenden Chores dargeboten. Zum Piepen, oder auf Neudeutsch: Hilarious.
Ach ja, Kultur. Da tut sich einiges, man könnte fast von einer Kontinentalverschiebung sprechen. Onkelchen (wir kennen ihn ja als Schlockmeister) hat sich nun von seinem bereits an dieser Stelle vorgestellten Fantasy-Sujet abgewandt und schreibt jetzt an einem Science-Fiction-Roman. Onkel erklärt diesen Sinneswandel damit, dass er in seinem Buch (es trägt den Arbeitstitel AlienSeeker und wenn man ihm zuhört, ist es das nächste große Ding nach The Hunger Games, zu Deutsch Die Tribute von Panem) gern mal Wörter wie "rekompilieren" oder "dekompilieren" verwenden möchte.
Zudem hat er bereits einige Details für die Verfilmung festgelegt. Als Titelmusik hätte er gerne die Ouvertüre von Richard Wagners Walküre, und Regie soll bitte schön ein gewisser Herr Michael Vejar führen, der angeblich mal ein paar Babylon 5-Episoden inszeniert haben soll. Das Schrägste ist aber: Er hat vor kurzem die bisherige, noch etwas lückenhafte Fassung auf Tante Dileins Kindle geladen und sie hat es in einem Rutsch duchgelesen und fand es sogar gut! Und Tante Dilein läst sich nicht so leicht beeindrucken. Sollten Kaviar und Zwetschgenmus am Ende doch in irgendeinem Universum zusammengehen? 
Wir warten gespannt auf die Lösung dieses Rätsels.

Sonntag, 22. April 2012

Clasico 2012: War das das Ende der glorreichen Barca-Ära?

So richtig konnte ich es nicht glauben: Real Madrid hat es seit langer Zeit endlich wieder geschafft, den Erzrivalen aus Katalonien in dessen eigener Festung zu bezwingen. 1:2 hieß es gestern am Ende dieser neuesten Auflage des ewig jungen Klassikers. Dabei ist es noch nicht lange her, dass Barcelona die stolzen Madrilenen mit einer 5:0-Klatsche nach Hause geschickt hatte. Das war am 29. November 2010, es war Mourinhos erster Clasico als Trainer von Real, und ich erlebte das Spiel auf Teneriffa mit spanischem Originalkommentar.

Ich kann eine gewisse Freude über diesen Ausgang des Spiels nicht verhehlen. Gewiss ist Barcelona eine Traum-Mannschaft, die für kultivierten Fußball steht. Aber schon in einem früheren Blog-Beitrag habe ich meine Sympathie für Teams ausgedrückt, die das Zerstören kultivieren. Damals war es ja Inter Mailand, damals ebenfalls von Mourinho trainiert, die Barca aus der Champions League warfen. Inter hatte damals kräftig Beton angerührt.

Aber das Real Madrid von 2012 kann man nun wirklich nicht als klassische Betonmischer-Truppe bezeichnen. Ein rein defensiv eingestelltes Team schießt keine zwei Tore im Camp Nou. Es ist vielmehr so, dass Madrid den schnellen, überfallartigen Konter zur Perfektion entwickelt hat und damit nun auch - neben einer stabilen Verteidigung, die ja die Basis jeder erfolgreichen Mannschaft ist - ein Mittel gegen die vorher unbesiegbar scheinenden Ballzauberer Messi, Xavi und Iniesta gefunden zu haben scheint.

Es ist nicht so, dass damit der schöne Fußball gegen eine Holzhammer-Truppe unterlegen ist. Und es ist auch verfrüht, jetzt schon das Ende der Barcelona-Ära auszurufen. Denn auch wenn die spanische Meisterschaft entschieden zu sein scheint, kann Barca immer noch die Champions League gewinnen. Möglicherweise sogar wieder gegen Madrid, denn die müssen zuhause im Bernabeu-Stadion nur ein Tor gegen die Bayern aus München aufholen. Barca muss gegen Chelsea schon deren zwei schießen, und wenn Chelsea in Barcelona wieder nach der Devise "Grätscht um euer Leben" spielt, dürfte das eine frustrierende Angelegenheit für die im Vergleich zu Real nicht minder stolzen Katalanen werden.

Am Sieg von Real Madrid (und Chelseas Erfolg von letzter Woche) freut mich einfach, dass die manchmal außerirdisch wirkende Truppe von Trainer Guardiola nun mal ein bisschen Bodenkontakt bekommen hat. Denn es ist nicht alles Gold, was bei den Katalanen so glänzt. Da denke ich einerseits an Torwart Valdes (nicht umsonst wird Tim Wiese gerüchteweise gelegentlich auch mit Barcelona in Verbindung gebracht, obwohl ich es für wahrscheinlicher halte, dass er in die englische Premier League geht), vor allem aber daran, dass die Katalanen schon zum Flug ansetzen (zur Schutzschwalbe nämlich), sobald man sie nur böse anguckt. Und für versteckte Fouls sind sie sich nicht zu schade, fragen Sie mal Herrn Dani Alves. Das wirklich Schlimme ist aber, das die Schiris reihenweise auf diesen Zirkus hereinfallen. Nur eben letzte Woche der Herr aus München nicht, der das Spiel zwischen Chelsea und Barca gepfiffen hatte. Und Herr Undiano, der diesmal den Clasico geleitet hat, wohl auch nicht. Das österreichische Portal "Laola1.at" schrieb hellsichtig bereits im Vorfeld über ihn:

Die Real Federacion Espanola de Futbol (RFEF) tut gut daran, einen ihrer Top-Leute für diese Partie zu nominieren. Zu groß war die Brisanz in den letzten Aufeinandertreffen der Erzrivalen, zu schlecht der Ruf der Unparteiischen in dieser Saison.


Wobei wir uns an Herrn Undiano auch noch aus dem WM-Vorrundenspiel Deutschland gegen Serbien erinnern. Er war der Mann, der wenig nachvollziehbar Miroslav Klose vom Platz stellte. Aber er scheint mit seinen Aufgaben gewachsen zu sein. Insofern bleibt es dabei: Wir haben keinen grundlegenden Paradigmenwechsel im europäischen Fußball erlebt, aber ein bisschen verwundbarer ist Barcelona in der letzten Woche schon geworden. Das macht die ganze Sache spannender. Und was wäre Fußball, wenn man schon vorab wüsste, wie es ausgeht?

Donnerstag, 19. April 2012

Neues aus Panem - Das "Hunger Games"-Update

Es ist geschehen: Diese Woche habe ich mir den Film "The Hunger Games" in der englischen Originalversion angesehen. Es war schon ungewöhnlich, so viele Frauen im Kino zu sehen, die sich ein Splatter-Movie reinziehen. Hinter mir saßen zwei Amerikaner, die sich ständig über ihre körperlichen Übungen und ihren Fitnesszustand unterhielten. Zumindest bevor der Film anfing. Während des Films hatten sie dann die Güte, still zu sein.

Die Filmumsetzung war ziemlich packend. "Relentless" ist der richtige Ausdruck dafür. Der Film geht einem, ähnlich wie das Buch, ziemlich an die Nieren. Harter Stoff. Nur bin ich es langsam leid, wenn die Regisseure meinen, der Geschichte durch ständig wackelnde Kameraeinstellungen einen Pseudo-Dokumentationscharakter verleihen zu müssen. Das fiel mir besonders bei den Szenen im Distrikt 12 zu Beginn des Films auf. Vielleicht war der Kameramann aus dem Distrikt 12 ja vor Hunger so geschwächt, dass er die Kamera nicht richtig halten konnte.

Und dann diese Close-Ups. Jennifer Lawrence alias Katniss guckt wie eine waidwunde Pietà in die Kamera. Immer derselbe schockiert-verzweifelt-trotzige Blick. Die hoffnungsvolle Schauspielerin mag zwar für den Film auf Bäume geklettert sein und Bogenschießen gelernt haben, aber ihre Mimik in den ultranahen Close-Ups ist nicht gerade abwechslungsreich. Irgendjemand muss ihr spätestens bis zum nächsten Film verklickern, dass sie keine trauernde Muttergottes spielen soll, sondern eine Jeanne d'Arc. Das muss sie hinkriegen, sonst droht für den Nachfolgefilm "Catching Fire" die Goldene Himbeere. Unausweichlich.

Der Regisseur des ersten Teils hat ja bereits signalisiert, dass er für den zweiten Film nicht zur Verfügung steht. Angeblich sind zeitliche Probleme daran schuld. Aber ich befürchte, er hat das zweite Buch gelesen und gemerkt, dass man daraus leider nicht viel machen kann, weil es über weite Strecken leider nur eine schwache Reprise des ersten Teils ist.

Eine komische Note zum Schluss: Unmittelbar nach Beginn des Filmes singt Katniss ihrer kleinen Schwester ein Schlaflied, um sie zu beruhigen. Ich war in diesem Moment so sehr versucht, "Soft Kitty" zu singen. So ungefähr wie hier (ab 1:07):



Aber das hätte wohl keiner kapiert. Das Publikum hätte mich wahrscheinlich gelyncht, obwohl die beiden Amis, die hinter mir saßen, die Anspielung möglicherweise verstanden hätten. Es ist einfach ein Sakrileg,  Idole zu dekonstruieren. Dabei hätte ein kleiner befreiender, witziger Moment dem Film gutgetan, der ansonsten völlig humorfrei und ziemlich beklemmend war. Ein bisschen "Soft Kitty" hätte daher nicht geschadet.

Sonntag, 15. April 2012

Mist wurde schon vor dem Online-Zeitalter geschrieben


Onkelchen verehrt schon sehr lange den Herrn Peter Gabriel, einen Popbarden von seltener Güte. Wie sehr Onkelchen das Werk des Herrn Gabriel mag, kann man daraus ersehen, dass er böse wird, wenn ich über ihn lästere - bei allen anderen Sängern und Sängerinnen darf ich das. Onkelchen hat sogar Karten für ein Konzert mit Peter Gabriel erstanden, das Anfang Mai in München stattfindet. Und darauf freut er sich ganz offenbar sehr!

Interessant ist, dass Kulturredakteure mit Peter Gabriel so ziemlich ihre Schwierigkeiten haben. Das ist aber nicht erst seit dem Siegeszug des Internet der Fall. Heute ist das Motto ja meist: Egal, ob es stimmt, was im Artikel drinsteht, die Meldung muss raus, wir brauchen die Klicks! Wenn sich jemand dann über Unrichtigkeiten im Text beschwert und sich daraus eine Diskussion entspinnt, dann bringt das wieder Klicks! So ungefähr funktioniert heutzutage das Arbeitsethos im Online-Journalismus.

Aber auch 1987, also zu einem Zeitpunkt, als die Medien das Internet noch keineswegs zu fürchten brauchten, da es noch gar nicht existierte, wurde vor allem im Kulturressort gern mal ein bisschen geschlampt. Die pfeifeschmauchenden Feuilleton-Redakteure wurden von ihren damals im Teenager-Alter befindlichen Kindern zu Popkonzerten geschleppt, und um wenigstens die Karten umsonst zu kriegen, schrieb man halt eine Rezension - egal, ob die Fakten stimmten oder nicht.

Das ist sehr gut an dem oben abgebildeten Artikel zu ersehen, der 1987, also vor 25 Jahren, in der SÜDWEST PRESSE erschien. Der Artikel handelt von Peter Gabriel, der sich damals auf Konzertreise durch Deutschland befand. Und der Autor Heinz Koch erlegte gleich drei fette Böcke mit dem Beitrag:

 1. Auf dem Foto ist nicht Peter Gabriel, sondern Phil Collins abgebildet. Collins folgte Gabriel als Frontmann der Band "Genesis" nach.

 2. Im Text heißt es, Gabriel habe Genesis "so vor drei oder vier Jahren" verlassen. Mitnichten. Gabriel war laut Wikipedia bereits 1975 von Genesis weggegangen. Das war zum Zeitpunkt, als der Artikel erschien, bereits zwölf Jahre her. 

 3. Zum Schluss erklärt der Autor, er werde nie wieder an einem Mega-Konzert im Münchner Olympiastadion teilnehmen, "es sei denn, die Beatles kämen, mit John Lennon!" Lennon war zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Jahre tot. Das scheint dem Autor entweder nicht bewusst gewesen zu sein oder er wollte damit unterstreichen, wie ausgeschlossen es aus seiner Sicht ist, dass er nochmal zu einem Konzert ins Oly geht. Selbst wenn man der zweiten Variante anhängt: Besonders intelligent ist der Schlusssatz gerade nicht.

Sonntag, 8. April 2012

"Die Tribute von Panem" - Analyse eines Hypes



Es wird wieder einmal Zeit für ein tiefschürfendes Zwiegespräch mit Onkelchen. Heute soll es zur Abwechslung mal nicht um Fußball gehen, sondern um im weitesten Sinne um Kultur. Wir wollen uns nämlich über den Blockbuster „Die Tribute von Panem“ (im Originaltitel „The Hunger Games“) unterhalten, der gerade alle Kinokassen sprengt. Und wir wollen gleich ins Thema einsteigen. Onkelchen, hast Du den Film schon gesehen? 


Abgesehen von ein paar Trailern im Internet habe ich vom Film bisher noch gar nichts gesehen. Mir ist allerdings vor ein paar Wochen auf dem Nachhauseweg ein riesiges Plakat aufgefallen, das auf den Film hinwies. Ich erinnere mich noch, dass ich mir dachte: „Die Tribute von Panem – was für ein behämmerter Titel.“ Da hatte ich noch keine Ahnung, dass das so eine Riesen-Nummer wird. Ich bin erst dann wieder auf den Film gestoßen, als ich – ich glaube, es war auf der Online-Seite der FAZ – eine sehr positive Besprechung des Films las. Erst dann wurde mir klar, dass die „Tribute“ zumindest als Jugendliteratur einen ganz ähnlichen Stellenwert wie die Twilight-Romane oder Harry Potter haben. Ich habe mir dann das erste Buch „The Hunger Games“ auf meinen Kindle geladen. Inzwischen habe ich alle drei Bände gelesen.

Erklär uns mal kurz: Worum geht es in der Trilogie?

Die Handlung, ganz kurz zusammengefasst: In der Zukunft existieren in Nordamerika die Staaten USA und Kanada nicht mehr. An ihre Stelle ist ein Staat namens Panem getreten. Deshalb auch der deutsche Name "Die Tribute von Panem". Panem wird von einem Hauptstadtbezirk, dem sogenannten Capitol, diktatorisch regiert. Der Rest von Panem sind 13 Distrikte. Diese Distrikte beliefern die dekadente Bevölkerung des Capitol mit allen möglichen Waren. Bis auf den Distrikt 13, der wurde während eines Aufstandes praktisch ausgerottet. In Erinnerung an diesen Aufstand müssen die 12 verbleibenden Distrikte jedes Jahr zwei Jugendliche - jeweils einen Jungen und ein Mädchen - als Tribute zu den sogenannten Hunger Games entsenden. Diese 24 werden dann in eine Arena gesperrt. Sie müssen sich dann gegenseitig eliminieren. Regeln gibt es nicht. Wer am Ende als einziger noch lebt, ist der Sieger beziehungsweise die Siegerin der Hunger Games. Das Ganze ist gleichzeitig eine gewaltige Fernsehshow. Alles, was in der Arena passiert, wird in jeden Winkel von Panem übertragen, und das Zusehen ist für alle Einwohner Pflicht. Die Geschichte wird aus Sicht von einem 16-jährigen Mädchen namens Katniss Everdeen erzählt, die aus dem Distrikt 12 stammt, der sehr arm ist. Distrikt 12 versorgt das Capitol mit Kohle. Als ihre kleine Schwester ausgelost wird, um als Tribut an den 74. Hunger Games teilzunehmen, meldet sich Katniss freiwillig als Tribut.

Was ist Dein Eindruck? Ist das nur wieder ein typischer Hype oder steckt mehr dahinter? 

Bis jetzt kann ich nur über die Bücher sprechen. Und da muss man auch unterschieden. Das erste Buch ist ungeheuer intensiv, man ist sofort drin in der Geschichte. Man muss auch sagen: Die Autorin Suzanne Collins ist eine ausgezeichnete Erzählerin, Man merkt das gerade auch, wenn man sie mit anderen Bestsellerautoren wie Dan Brown vergleicht. Es wird alles aus der Ich-Perspektive im Präsens erzählt, der Leser erlebt die Story wie einen Alptraum, der ihn fortreißt. Es gibt keine langatmigen Erläuterungen dazu, wie das Land Panem aus den Ruinen von Nordamerika entstanden ist, wie es dazu kam, dass die Hauptstadt die anderen Distrikte unterjocht hat. Das ist eine Stärke – man erfährt nur so viel, wie man gerade braucht, um der Geschichte folgen zu können. Es fühlt sich alles so an, als stecke man drin im Kopf von Katniss (der Heldin und Ich-Erzählerin der Geschichte), als erlebe man das hautnah. Das schafft eine unglaubliche Intensität und Unmittelbarkeit, alles ist sehr fokussiert. Für den Leser ist das alles sehr eindrucksvoll.

Das gilt aber nur für das erste Buch! Die Bände 2 und 3 sind deutlich schwächer. Das zweite Buch „Catching Fire“ ist im Wesentlichen eine Reprise des ersten: Da Katniss es in der ersten Runde geschafft hat, die Macher der grausamen Spiele zu überlisten, muss sie (zusammen mit ihrem Freund/Partner/Kamerad/Whatever Peeta) zurück in die Arena, weil das Regime glaubt, sie auf diese Weise unauffällig entsorgen zu können. Der zweite Band erreicht an keiner Stelle die Intensität des ersten, weil sich viele Dinge wiederholen, die man aus der ersten Runde kennt. Und das dritte Buch „Mockingjay“ ist nur noch wirr.

Warum? 

Es geht im dritten Band sehr stark um Politik, um die Revolution gegen das herrschende Regime. Katniss wird zur Symbolfigur des Widerstandes und führt in der zweiten Hälfte sogar eine Kommandoeinheit an, die sich ins Herz der tyrannischen Hauptstadt einschleicht, um den Diktator Präsident Snow zu töten. Am Ende erschießt sie mit ihrem Bogen aber die Präsidentin der Rebellen – und geht straffrei aus. Motivation und Logik sucht man im dritten Band nahezu vergeblich. Ich kann hier nur Sheldon Cooper zitieren: It fails as drama, science fiction and is hopelessly derivative. 


Das hat Sheldon Cooper aber nicht über “Mockingjay” gesagt. Sondern über Babylon 5.

In Bezug auf Babylon 5 kann ich ihm nicht zustimmen, aber wenn er es über „Mockingjay“ gesagt hätte, hätte er zweifellos recht.

Man geht ja davon aus, dass die Hunger Games nun im Film das nächste große Ding nach Harry Potter und Twilight werden. Wie würdest Du das sehen? 


Wie gesagt, ich kenne den Film – noch – nicht, aber nach allem, was man hört, ist es eine gute Umsetzung. Da die Buchvorlage im zweiten und dritten Teil zumindest nach meinem Dafürhalten stark abfällt, dürfte es aber eine ziemliche Herausforderung sein, aus dem Material überzeugende Filme zu machen. Der erste Teil hat einfach Momente, die beim Leser einen unglaublich starken Eindruck hinterlassen, so zum Beispiel Katniss‘ Entscheidung, anstelle ihrer kleinen Schwester Prim, die ja dafür ausgelost wurde, in die Arena zu gehen – und dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sterben.

Oder die ganze Strecke zwischen der Ankunft in der Hauptstadt und dem Moment, in dem die Hunger Games beginnen. Die Tribute – also die Jugendlichen, die für die tödlichen Spiele ausgelost wurden – werden für eine Parade und eine Fernsehshow herausgeputzt. Sie dürfen den Luxus der Hauptstadt genießen und wissen dabei zu jedem Zeitpunkt, dass sie eigentlich zum Morden verdammte Mordopfer sind, um Umberto Eco zu zitieren.

Das ist alles sehr beklemmend und geht dem Leser sehr lange nach. Oder die Stelle, an der Rue stirbt, mit der sich Katniss in der Arena verbündet hat. Gerade die letztgenannte Stelle hinterlässt einen viel stärkeren Eindruck als der Moment im dritten Band, bei dem Katniss‘ Schwester Prim ums Leben kommt. Da entgleist die Geschichte komplett, denn letztendlich wurde alles dadurch ausgelöst, dass Prim im ersten Band als Tribut für die Spiele ausgelost wurde. Prims Tod hinterlässt wie gesagt aber lange keinen so starken Eindruck wie der Tod von Rue.

Ich finde es auch blöd, dass Katniss im dritten Band ein extra Kostüm und ein spezielles Styling braucht, bevor sie in den Krieg gegen das Regime zieht. Da ist man fast versucht zu sagen: Typisch Mädchen!

Warum wird Hunger Games so gehypt? Das Medienecho ist ja gewaltig. 

Zunächst mal sicher deshalb, weil Katniss eine weibliche Heldin ist. Das gibt es nicht so oft, die Genres Science Fiction und Fantasy sind ja ziemlich männlich dominiert. Nein, Katniss ist ein starker weiblicher Charakter. Das wird von der Presse wohlwollend zur Kenntnis genommen. Katniss ist aber auch nicht übermäßig idealisiert – eigentlich trifft sie in der ganzen Geschichte nur eine einzige moralische Entscheidung, nämlich die, anstelle von Prim in die Arena zu gehen. Ansonsten sind ihre ganzen Handlungen vom Gedanken bestimmt, zu überleben. Sie ist insgesamt ziemlich opportunistisch. Sie hält sich zwar aus dem übelsten Gemetzel heraus. Aber nicht deshalb, weil sie nicht töten kann oder will, sondern weil sie sich realistischerweise bessere Chancen ausrechnet, indem sie sich bedeckt hält. Sie ist durchaus in der Lage, kaltblütig zu töten. Das sehen wir, wenn sie den Mörder von Rue umbringt.

Amüsant ist, dass wir in den „Hunger Games“ eine ironische Brechung beziehungsweise Umkehrung des literarischen Topos der „Damsel in Distress“ erleben. Katniss ist eine Überlebenskünstlerin, weil sie nach dem Tode ihres Vaters dafür sorgen musste, dass ihre Familie nicht verhungert. Deswegen ging sie auf die Jagd, erlegte Wild mit Pfeil und Bogen und ist somit eine mehr als kompetente Kämpferin. Peeta, der Bäckerjunge, zusammen mit ihr als Kandidat für den Sektor 12 ausgelost wurde, hat diese Fähigkeiten nicht – sie muss ihn sogar beschützen. Hier schützt also das Mädchen den Jungen, anders als es in der Genreliteratur üblich ist.

Viele wohlwollende Kritiker in den Zeitungen sehen in dem Film vor allem eine Mediensatire auf die allgegenwärtigen Casting- oder Reality-Shows wie das Dschungelcamp. Diese Sichtweise greift aber zu kurz. Ich finde es hochinteressant und bemerkenswert, dass eine – wohlgemerkt, amerikanische – Autorin das Thema der Ungleichheit thematisiert. Die materielle Not der Menschen im Distrikt 12, in dem Katniss lebt und aufwächst, ist gewollt. Das Regime der Hauptstadt, deren Bewohner in Saus und Braus leben, hat ein hohes Interesse daran, dass sich an den Verhältnissen nichts ändert. Das ist nicht so sehr eine Parabel auf irgendwelche totalitären Regimes der Vergangenheit, sondern auf den Kapitalismus der Gegenwart, in dem zum Beispiel internationale Konzerne in Chile Lachsfarmen anlegen, die die Lebensgrundlagen der örtlichen Fischer zerstören.

Es ist auch eine Kritik am Jugendkult und dem Schönheitswahn, denn die Bürger der Hauptstadt sind ganz verrückt danach, sich operativ verschönern zu lassen und den jeweils trendigen Look auszuprobieren. Sie sprechen auch total affektiert, ganz ähnlich wie die oberflächlichen„Valley Girls“ in Kalifornien. Katniss fragt sich an einer Stelle: „Why do the ends of their sentences go up as if they’re asking a question?” Das ist dem Soziolekt dieser “Valley Girls”, dem sogenannten Valspeak, abgelauscht (Angeblich soll auch George W. Bush sich dieser Inflektion, dem sogenanten High Rising Terminal, immer wieder bedient haben). Da steckt also ziemlich viel drin, aber unsere Journos können darin nur eine Mediensatire erkennen. Sie raffen halt nicht, dass sie selber damit gemeint sind. Aber ich bin skeptisch, dass sich das alles im Film transportieren lässt.

Die Buchvorlage hat dich also beeindruckt? 

Das erste Buch stellenweise ja. Wie gesagt, es gibt Momente, die einen nicht leicht loslassen. Aber es gibt auch Ungereimtheiten. Zum Beispiel ist immer wieder von den „Career Tributes“ die Rede. Das sind Jugendliche aus den wohlhabenderen Bezirken des Landes Panem, die ganz bewusst auf die Teilnahme an den Spielen hinarbeiten. Ich halte das für nicht sehr logisch. Plausibler wäre es doch, wenn Jugendliche aus den ärmeren Bezirken in den Spielen eine Karriereoption sähen. Gerade im Distrikt 12, wo Katniss und Prim aufwachsen, wo Hunger und Minenunglücke quasi an der Tagesordnung sind, haben die Menschen nichts zu verlieren. Dort müsste also die Motivation viel größer sein, an den Spielen teilzunehmen, als in den reicheren Distrikten. Katniss sagt an einer Stelle selbst sinngemäß, dass sie lieber durch eine Kugel sterben würde als zu verhungern. Gleichzeitig verachtet sie die Career Tributes. Da passt was nicht zusammen.

Und an einer anderen Stelle entgleist die Geschichte geradezu. Katniss ist verwundet und Thresh, der Junge aus Distrikt 11, hätte leichtes Spiel mit ihr. Er verschont sie aber, weil Katniss Threshs Kameradin Rue gerächt hat (Rue kam aus demselben Bezirk wie Thresh). Das ist völliger Stuss! Es ergäbe viel mehr Sinn, wenn Thresh Katniss einen schnellen, sanften Tod geben würde. Denn Katniss ist für ihn ja selbstverständlich nach wie vor eine Konkurrentin. So wie die Hunger Games konfiguriert sind, ist es eine Er-oder-ich-Situation. Denn nur der letzte, der übrig bleibt, darf überleben.

Auch die letztendliche Auflösung, in der Katniss und Peeta mit Selbstmord drohen, als beide als letzte übrig sind, kommt mir wenig glaubwürdig vor. Das ist sehr konstruiert und übermäßig dramatisch. Wahrscheinlich hätte es zum selben Ende geführt, wenn beide einfach ihre Waffen niedergelegt hätten, so nach dem Motto „Genug gemordet“. Eine Publikumsentscheidung per TED (grins) hätte dann schon dazu geführt, dass beide Hand in Hand aus der Arena wandeln dürfen. Der dramatischen Drohung, dass sich beide mit giftigen Beeren ins Jenseits befördern, hätte es also gar nicht bedurft. Außerdem traue ich es Katniss durchaus zu, dass sie mit halbgeöffnetem Auge rüberblinzelt und wartet, bis Peeta als erster in die tödlichen Beeren beißt. Sie muss ja nur einen Sekundenbruchteil abwarten. Und sie hätte gewonnen. Wie gesagt – Katniss ist eine ziemliche Opportunistin.

Schönen Dank, Onkelchen. Schaust Du dir den Film dann mal an? 

Ich weiß nicht. Ich empfand die Bücher als ziemlich deprimierend. Ob ich mir den Film dann auch antue, muss ich mir gut überlegen.

Sonntag, 1. April 2012

Wichtige und unwichtige Fragen von Medienmenschen

Medienmenschen stellen sich komische und oft sehr überflüssige Fragen. Ob das nun daran liegt, dass sie in den Medien zu tun haben oder daran, dass es einfach Menschen sind, vermag wahrscheinlich niemand so recht zu sagen. Als Beispiel möchte ich eine Filmkritik anführen, die vor kurzem in der New York Times erschienen ist. Darin ging es um den Film The Hunger Games, der unter dem Titel Die Tribute von Panem in Deutschland angelaufen ist und nach Meinung vieler Insider das nächste große Ding nach Harry Potter und den Vampir-Filmen der Twilight-Reihe sein wird. Die New York Times meinte nun, dass die Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence zu gut genährt gewesen sei, um die Hauptrolle überzeugend spielen zu können (der Film heißt ja nicht ohne Grund The Hunger Games). Als ob das nicht unwichtig genug sei, meldeten sich nun Kritiker des Kritikers zu Wort. Diese Kritikerkritiker befürchteten, es würde Ernährungsstörungen wie Bulimie und Magersucht beim jugendlichen weiblichen Publikum Vorschub leisten, wenn man so sehr betone, dass Frau Lawrence nicht verhungert genug für die Hunger Games ausgesehen habe.

Jetzt kurz vor Ostern drängen ja glücklicherweise andere Themen in den Vordergrund als die fürchterlichen Kloppereien in den Hunger Games, bei denen es nur einen Überlebenden geben kann. Denn die Natur erwacht. Die Läden sind voll von Schoko-Ostereiern und Hasen. Und Onkelchen singt wieder aus voller Kehle seine Lieblingslieder (nein, keine Wagner-Arien, sondern Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen, Des Königs Fahne tritt hervor – letzteres mitunter auch im lateinischen Original Vexilla regis prodeunt und Beim letzten Abendmahle). Da Onkelchen nämlich lange Messdiener war und um die Osterzeit stets Großkampfzeit für die Ministranten war, kennt er diese Lieder natürlich auswendig. Und was ihm beim Singen an Innigkeit fehlt, macht er durch Lautstärke wett!

Früher gehörte es ja zum guten Ton der Sendeanstalten, in der Osterwoche und vor allem am Karfreitag Jesus-Filme zu zeigen. Besonders beliebt war da der Vierteiler Jesus von Nazareth von Franco Zeffirelli aus den siebziger Jahren, der sich besonders um Authentizität bemühte und viele Historienfilme nachhaltig beeinflusst hat – und, wenn auch sicher ungewollt, die Monty-Python-Parodie Das Leben des Brian. Als Onkelchen heute die ersten zwei DVDs der Jesus-Serie wieder mal angeguckt hat, kam er nicht umhin, an einigen Stellen Vergleiche zu dem Monty-Python-Film zu ziehen oder daraus zu zitieren, zum Beispiel den unsterblichen Satz „Er hat Jehova gesagt!“ oder auch „Folget der Flasche! Der heiligen Flasche von Jerusalem!“

Aber obwohl Onkelchen auch ein Medienmensch ist, hat er sich beim Wieder-Sehen des Jesus-Films eine Frage gestellt, die vermutlich sehr viel mehr Tiefgang hat als vieles, mit dem sich Medienleute so beschäftigen. Die Frage (naja, eigentlich waren es zwei) lautete: „Wie muss es gewesen sein, Jesus zu begegnen? Welchen Eindruck hat er auf die Menschen gemacht?“ Und auf die wirklich wichtigen Fragen gibt es keine einfachen Antworten.